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LOTTE's Hörtipp

LOTTE's Hörtipp vom 11.05.2005

Louis Tillett: Letters to a dream - Mit seiner 1992er CD "Letters to a dream" entführte uns der australische Sänger, Pianist und Songwriter Louis Tillett zum dritten Mal auf eine 'tour de force' durch die Untiefen der menschlichen Seele, mitten hinein ins Herz der Finsternis. Lieder für eine neue Depression? Nein.

Louis Tillett eilt der Ruf voraus, als Musiker sei er ein Genie aber auch ein Berserker und im Interview sei er selten gut drauf. Ein Image, das auf die Musik des Australiers paßt, wie die Faust auf's Auge. Denn seine Songs sind ungefähr so erbaulich-erheiternd wie die Folterphantasien, die sich Franz Kafka in der Erzählung "Die Strafkolonie" von der Seele geschrieben hat. Tilletts Texte werden bevölkert von Kettensträflingen, die sich in Steinbrüchen zu Tode schuften, und von einsamen Individuen, die in der Isolation urbaner Betonwüsten hausen - Skizzen und Stories, die der damals 33-jährige mit lyrisch-düsteren Klängen ausmalt.

Bleicher Teint, furchentiefe Ränder unter den Augen und ein aufgeschwemmter Körper künden von jenen Jahren an der Flasche, die Tillett in seiner autobiografischen Alkoholballade "Dead end street in the lucky country" besungen hat - ein Egotrip vor der Höllenpforte. "Aber das war damals, Ende der Siebziger. Damals," sagt er, "damals ging es mir wirklich schlecht, physisch und psychisch. Ich hatte mein Studium der Philosopiegeschichte und Anthropologie abgebrochen, weil ich in einer Krise war, ich hatte eine schlimme Depression. Ich fühlte mich wie tot. Aber das ist nun vorbei."

Mit ungefähr vier Jahren begann Tillett Klavier zu spielen. Er hatte klassischen Klavierunterricht und er sagt, "Aber das war nicht so toll. Ich fühlte mich schnell eingeengt, ich hatte schon als Kind das Gefühl, daß Musikmachen nicht nur daraus bestehen kann, fremde Kompositionen nachzuspielen und sich an starre Regeln zu halten. Ich erinnere mich gut, wie ich zum ersten Mal an diese Grenze stieß. Ich hatte ein Stück geschrieben, auf das ich sehr stolz war. Aber es gab darin eine Reihe fortschreitender paralleler Quinten und der Lehrer sagte, 'Du kannst keine fortschreitenden Quinten benutzen, das verstößt gegen die Regel.' Nun, ich weiß natürlich, daß diese Quintenfortschreitungen in der Theorie streng verboten sind und daß es gute Gründe dafür gibt, aber ich fand damals, daß dieses Stück nur mit diesen Quinten funktionierte, denn sie klangen wundervoll. Bestimmte Regeln zu beachten, ist sicher sinnvoll, aber nur solange, wie sie Deinem Ausdruck und Deinem Gefühl nicht im Wege stehen. Wenn das passiert, kann es genauso sinnvoll sein, sich von der Regel zu verabschieden."

Ein Rebell ist Louis Tillett sicherlich nicht. Rebellen gab's damals viele und Rebell gegen die Rebellion zu sein, das machte auch in den neunziger Jahren keinen Sinn. "Wenn ich komponiere, stelle ich mir meistens ein Bild oder ein Portrait in einem Spiegel vor, und dieser Spiegel besteht aus einer dünnen Metallfolie, die nicht ganz eben sondern etwas gebogen ist. Deshalb ist das Spiegelbild immer ein wenig verzerrt. Wenn Du es betrachtest, erkennst Du zwar, was es darstellen soll, aber Du merkst auch, daß es eine verzerrte Spiegelung von irgendetwas ist und nicht der Gegenstand selbst." Mit diesem Bild sehen wir, Louis Tillett will nichts anderes zeigen, als seine Realität.

Das einzige Instrument, das er nie klassisch trainiert hat, das, sagt er, das ist seine Stimme. Und man merkt es vor allem an der Intonation, und die ist alles andere als klassisch. Manchmal trifft er auch nicht die richtigen Töne, aber das macht ihm überhaupt nichts. Seine Hauptsache ist, daß er sich mit seiner Stimme gut ausdrücken kann: "Man muß als Musiker, egal wie gut oder schlecht man spielt, versuchen, diesen Punkt zu erreichen, an dem die eigene Persönlichkeit zum Vorschein kommt."

(Charles Ott)

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