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Theaterkritik

Theaterkritik vom 20.10.2010

Dido and Aeneas - Großes hat man vor im stark schrumpfenden Ostthüringen, zumindest die Theater&Philharmonie Thüringen, die die Theater in Gera und Altenburg bespielt. Zwar ist man jüngst in eine finanzielle Schieflage geraten, die noch nicht aufgeklärt ist, aber den Spaß am Feiern lässt man sich nicht nehmen. Letzten Freitag feierte man dann den Einstand vom neuen Generalmusikdirektor Howard Arman. Der dachte sich, dass das, was von Henry Purcells Barockoper „Dido and Aeneas“ erhalten blieb, zu wenig ist, denn es sind nur etwa 55 Minuten. Das Libretto von Nahum Tate aber ist umfangreicher. Also wird kurzerhand zum Stift gegriffen: die Oper erhält ein Upgrade auf anderthalb Stunden. Geniestreich oder Vermessenheit – das ist hier die Frage.

Schnell wird klar, dass es für ersteres nicht reicht. Der Oper wird ein geschauspielerter Prolog vorangestellt. Aeneas – alt geworden – erinnert sich an seine Liebe des Lebens: Dido. Er nahm Tonbänder auf, die er nun abspielt. James Spader in Steven Soderberghs „sex, lies, and videotape“ lässt grüßen. Was soll das?, fragt man sich und hofft nochmal, als die Bühne in der Bühne, die zunächst nur eine Leinwand schien, langsam dreidimensional wurde. Ein starkes Bild, das aber leider die einzige Genialität des Abends bleiben sollte. Die eigentliche Oper beginnt, Karthago ist nun eine IKEA-Designerwohnung ganz in weiß, bevölkert von allerlei Yuppiegestalten. Man hat die Antike durch die heutige Zeit ersetzt und ergeht sich in klischeehaften Handlungen. Man will ja das Publikum nicht überfordern. Die dargestellten Charaktere erscheinen nicht tiefgründig, sondern als typische Pseudos. In so fern wirkt der Selbstmord der betrogen geglaubten Dido wenig glaubwürdig, sondern pathetisch, um nicht zu sagen, theatralisch.

Musikalisch gesehen erbringen Orchester und Chor durchaus solide Leistungen. Das gilt auch für Tobias Scharfenberger als Aeneas. Leider hat man bei den übrigen Solisten den Eindruck, dass sie mit der speziellen Singweise des Barock nicht sonderlich vertraut sind. Da machen sich Unsauberkeiten und mangelndes Ausnutzen des möglichen Schallspektrums deutlich bemerkbar. Und so plätschert zu vieles einfach zu sehr dahin, ohne auch nur ansatzweise zum reißenden Strom zu werden. Von einer Ergriffenheit in der Sterbeszene ist man weit entfernt. Dass man das weit besser machen kann, bewiesen unter anderem auch Studenten der Musikhochschule Franz Liszt vor neun Jahren bei einer Aufführung im Stadtschloss. Die von Arman hinzugefügten Noten kontrastieren zwar die Barockklänge, wirkliche Akzente setzen sie aber nicht. Abermals stellt sich die Frage: Was soll das?

Wagnerianer sprechen bisweilen bei modernen Wagner-Aufführungen davon, dass sich Regisseure am Komponisten vergriffen hätten. Ob es auch ausgemachte Purcellianer gibt, ist nicht bekannt. In Gera waren sie nicht; der Applaus war verhalten freundlich.


Dido and Aeneas (Henry Purcell und Howard Arman)
Regie: Philipp Kochheim
Premiere: 15.10.2010, Bühnen der Stadt Gera, Großes Haus

(Oliver Kröning)

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