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Theaterkritik

Theaterkritik vom 24.01.2011

Tristan und Isolde - Sollte man, wenn man Karl Böhms Bayreuther Referenzaufnahme aus dem Jahre 1966 kennt, sich jemals eine Aufführung von „Tristan und Isolde“ ansehen? Vielleicht besser nicht. Allerdings würde man dann einiges verpassen; im Guten wie im Schlechten. Die aktuelle Weimarer Inszenierung bietet beides. Und allein für die Ouvertüre lohnt sich schon das Kommen. So punktgenau und hoch emotional die Weimarer Staatskapelle unter der Leitung von Stefan Solyom auch die schwierigsten Passagen spielerisch beherrscht, kann nur als Genuss in Vollendung bezeichnet werden. Von allen anderen Akteuren kann da nur noch Hidekazu Tsumaya als König Marke mithalten. Sein sowohl kraftvoller als auch gefühlsstarker Bass lotet die tiefe Zerrissenheit des betrogenen Königs perfekt aus.

Das kann man von Franco Farina als Tristan und Marion Ammann als Isolde nicht immer behaupten, denn so manche kleinere Unsicherheit war nicht zu überhören. Doch sind sie – wenn diese Anleihe bei Wagners Pathos erlaubt ist – gleichsam schuldlos schuldig. Der Verdi- und Puccini-Virtuose Farina probiert sich das erste Mal an Wagner. Warum er allerdings gleich den Tristan nehmen muss? Marion Ammann dagegen konnte erst seit wenigen Tagen proben, da sie sehr kurzfristig die erkranke Catherine Foster ersetzen musste.

Und dass beide miteinander fremdeln, ist gewiss nicht ihnen anzulasten. Dazu schlägt die Regie viel zu sehr ins Kontor. An kaum einer Stelle fühlt man, dass beide eine Überdosis Schopenhauer intus haben, wie einmal ein Spötter nicht ganz zu Unrecht geschrieben hat. Schon im ersten Akt ist man irritiert. Während hinter der Holzmarkise sich das Schiff permanent im Kreise dreht und trotzdem das Ziel erreicht, steht Isoldes Kajüte als tüllbeladenes Himmelsbett knapp über dem Orchestergraben wie fest in den Boden gerammt und lässt den Liebestrank nur bedingt wirken. Tristan und Isolde erscheinen ziemlich nüchtern. Im zweiten Akt müssen dann ein paar schale Gags herhalten. Kaum löscht Isolde das Licht, kommt Tristan in einem badewannengroßen Kahn auf Rädern hineingesaust und als deren Endlosduett sich auf den Höhepunkt zu bewegt, hüllen kunterbunte Riesenlamettastreifen die Bühne in ein Farbenmeer. Romantik-Ersatz Anno 2011.

Bis hierher konnte man aber trotzdem noch mit der Aufführung leben; was dann aber im dritten Akt folgte, trieb nicht nur viele Wagner-Puristen auf die Palme. Da wird mit Bildern überladen, mit Psychologie aufgeladen, Requisiten aus vorangegangen Inszenierungen aufgetragen und die Bühne so lange gedreht, bis auch dem letzten Indianer schwindlig wird. Operndirektor und Regisseur Karsten Wiegand muss sich wirklich fragen lassen, ob er Wagner grandios missverstanden hat oder ihn gewaltsam-freudianisch in das 20. Jahrhundert pressen will. Gewiss, man kann behaupten, dass nach „Tristan und Isolde“ noch eine romantische Oper zu schreiben, barbarisch oder zumindest zutiefst anmaßend sei. Dies kann und darf aber nicht dazu führen, die romantische Oper schlechthin zu entromantisieren, zu entmystifizieren und die beiden Helden voneinander zu entfremden. Und genau das passiert in Wiegands steriler Inszenierung, in der Isolde nicht einmal neben Tristans Leichnam sterben darf, denn dieser wird zuvor weggetragen.

Nike Wagner hat mal provokativ gefragt, wozu man eigentlich den dritten Akt bei „Tristan und Isolde“ brauche; schließlich sei ja am Ende des zweiten Aktes eigentlich alles klar. Wiegand hätte ihn tatsächlich besser weggelassen. Das wäre weniger schlimm gewesen als ihn dermaßen zu verhunzen. Er hat in der letzten Spielzeit einen sehr ambitionierten Rigoletto auf die Bühne gebracht. An Wagner hat er sich aber kolossal verhoben. Überdurchschnittlich viele Buh-Rufe für die Regie kommen nicht von ungefähr. Nicht minder berechtigt der stürmische Applaus für Sänger, Chor und Orchester.

Tristan und Isolde (Richard Wagner)
Regie: Karsten Wiegand
Premiere: 22.01.2011, Weimar, DNT, Großes Haus

(Oliver Kröning)

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