Aktuelles
Aktuelles vom 07.02.2011
Weimar/Wartburg - Wartburg/Weimar - Seit Freitag kann man im Weimarer Stadtmuseum die Ausstellung „Weimar/ Wartburg, Wartburg/ Weimar – Carl Alexanders Kulturkonzepte für die ganze gebildete Welt“ anschauen.
Was gibt es da zu sehen?
Historismus pur: Viele Schriften, Urkunden, Stiche und Drucke, Bücher, Medaillons, Säbel und andere Erinnerungsstücke und viele Bilder, als Druck oder in Öl – die Wartburg von Norden, von Süden, von vorne, von oben, Tannhäuser und Frau Venus, die Heilige Elisabeth und Martin Luther, und nicht zuletzt der Großherzog Carl Alexander in vielen Posen, - als junger Mann, als Soldat, als alter Herr...
Gleich am Eingang empfängt den Besucher ein 4 ½ Minuten langer Film des Weimarer Hofphotographen Louis Held mit Aufnahmen von der Wartburg aus dem Jahre 1910. Und im Gang zu den Ausstellungsräumen schaut ein ganz moderner Carl Alexander zu uns herab: Der Weimarer Maler Dieter Weidenbach hat ihn porträtiert.
Prachtstück der Schau ist aber wohl ein monumentales Ölgemälde von Max Martini mit einer typischen Wartburg-Ansicht, wie man sie auch von vielen Postkarten her kennt. Das Weimarer Stadtmuseum hat das Bild angekauft, nachdem es in DDR-Jahren von der GST als eine Zielscheibe für Schießübungen benutzt worden war. Man hat es restauriert und sucht nun noch einen geeigneten Platz, wo es nach der Ausstellung dauerhaft hängen könnte.
Eigentlich ist all das nichts Aufregendes; man findet solches in vielen Museen. Aber es geht bei dieser Ausstellung vielleicht gar nicht so sehr um den Schauwert der Exponate selbst, sondern viel mehr darum, die Beziehungen der beiden UNESCO-Welterbestätten zu verdeutlichen.
Das ist zuletzt ein bisschen aus dem Blickfeld geraten. Und der Kurator der Ausstellung, Dr. Alf Rößner meint: „Der Zweck der Ausstellung wäre schon erfüllt, wenn durch die Erinnerung an Carl Alexander und ein vom Geist der Ökumene und Toleranz geprägtes kulturvolles Wiederaufbauwerk, - die beiden Leuchttürme der Thüringer Kultur: Weimar und die Wartburg – im Bewusstsein der Zeitgenossen wieder enger zusammenrücken.“
Bis Ostermontag kann man die Ausstellung noch besichtigen.
Warum aber gerade jetzt, in dieser Zeit, diese Ausstellung?
Großherzog Carl Alexander hatte im Januar 110. Todestag. Und Thüringen rief ja 2011 als das Liszt-Jahr aus, - der Maestro hatte in seiner Weimarer Zeit – ebenso wie Wagner - einen sehr engen Bezug zur Wartburg.
Und schließlich befinden wir uns auch in der Luther-Dekade bis 2017...
Rößner wollte seiner Ausstellung ursprünglich den Titel „Die Wartburg kommt aus Weimar“ geben. Es wäre dies eine augenzwinkernde Anspielung auf die Bauhaus-Ausstellung gewesen, zudem ein Hinweis darauf, dass Weimar eben sehr viel mehr als Goethe und Schiller kulturhistorisch zu bieten hat. Aber im Erfurter Kulturministerium, einem wichtigen Zuwendungsgeber für die Ausstellung, kam das nicht gut an: „Weimarer Größenwahn!“, interpretierte man, und: „Das kann man den anderen Städten in Thüringen nicht zumuten!“
Dabei hörte sich dann die Rede des Eisenacher Burghauptmanns Günther Schuchardt dazu überhaupt nicht erbost darüber an.
Natürlich greift das Bonmont, die Wartburg käme aus Weimar, viel zu kurz, - schon allein wenn man nur die Landgrafenzeit der Burg in Betracht zieht.
Aber die Wartburg wäre heute womöglich tatsächlich gar eine Ruine bloß, kein Weltkulturerbe, und es gäbe wahrscheinlich auch gar keinen Burghauptmann, – so stellte Schuchhardt selbst in seiner kurzen Rede fest -:
wäre da nicht die Initiative Carl Alexanders zum Wiederaufbau gewesen.
Das Fürstenhaus musste sich damals entscheiden, ob man in Weimar ein großes Festspielhaus baue – genau jenes Festspielhaus, das dann schließlich in Bayreuth entstanden ist – oder aber lieber die Wartburg restauriere.
Wie wir wissen, hat man sich für die Wartburg entschieden.
Dass es Carl Alexander dabei nicht einfach nur darum ging, eine Ruine aus dem Mittelalter in seinem Herzogtum zu erhalten und neu zu beleben, das will und kann die Ausstellung außerdem bewusst machen.
Die Wartburg ist, dank Carl Alexanders Wirken, ein Denkmal des Historismus geworden, ein Denkmal deutscher Geschichte (Sängerkrieg, Heilige Elisabeth, Luther, Burschenschaften) und ein Denkmal der künstlerischen Verklärung (wenn wir beispielsweise nur an die berühmten Schwind- Fresken oder an Gedichte und Texte von Scheffel, Cornelius, Lienhardt oder die Musik von Wagner und Liszt denken), damit aber eben auch ein Denkmal der Ökumene und der Toleranz.
Wird Großherzog Carl Alexander gewissermaßen so zu einem Medium, um uns einen ganz besonderen Aspekt Thüringer Kulturgeschichte ins Bewusstsein zu rufen?
Oder ist es eher eine Huldigung fürs Weimarer Fürstenhaus?
Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach war bei der Eröffnung zugegen und in einer kurzen Rede bezeichnete er sich selbst als derzeit einziges Bindeglied zwischen Weimar und Wartburg, indem er nämlich in beiden Stiftungsräten einen Sitz hat.
Er plädierte dafür, die Potenziale, die Weimar und Wartburg besitzen, gemeinsam zu nutzen. „Das Fremdeln soll aufhören“, sagte er. „Eine Begegnung beider Einrichtungen auf Augenhöhe sei angemessen.“
Und bemängelte: „Die Idee, die beides begründet zusammenhält – wo ist sie?“
Die kulturhistorische Vielfalt, die Weimar bietet, soll wieder entdeckt werden. Beispielsweise mit Carl Alexander; um den man sich bisher immer gern drumherum gemogelt hat, meint Prinz Michael. Die Ausstellung aber werfe ein Licht auf ihn und sein Wirken. „Hoffentlich ein Auftakt, und nicht nur eine Sternschnuppe, die vorüberfliegt.“, ergänzte er noch.
Dann kritisierte er noch das Ausstellungsplakat und nahm Anstoß daran, dass die Karl-Liebknecht-Straße (als Adresse des Stadtmuseums) noch immer so heiße... Das brachte ihm letztlich nur einen spärlichen Beifall für seine Rede ein. Und Museumsdirektor Alf Rößner entgegnete auch gleich, dass der Name dieser Straße eben genauso ein Teil der Weimarer Geschichte sei, zu der man sich bekennen kann und die man nicht verdrängen, und nicht zurückdrehen soll, sondern fortschreiben muss. Und er verwies dabei auch auf den Denkmalsockel des ehemaligen Carl August-Reiterstandbildes, - der hier, unmittelbar vor den Hause von Radio LoTTe, auf dem Goetheplatz zu sehen ist, von den Nazis versetzt, von Bombensplittern getroffen und von den DDR-Behörden abgerissen wurde... Nun steht der Sockel als Denkmal ohne Reiter – Alles Spuren der Geschichte, wenn man um sie weiß.
Nach dem vorhin erwähnten Bezug Carl Alexanders zum Bayreuther Festspielhaus, brachte Rößner in seiner informativen Einführung auch einen Querverweis auf das Schloss Neuschwanstein. Carl Alexander gratulierte einst dem bayerischen König zur Fertigstellung dieses Schlosses und sprach dabei, ganz im Sinne seines historisierenden Denkens, dass es die Pflicht sei, mit solcherart Bauten Bildung zu vermitteln. Das hat ihm aber eine etwas erboste Rückantwort aus Bayern eingebracht.
Die Anekdote macht deutlich: Der Weimarer Fürst ließ die Wartburg nicht nur aus repräsentativen Gründen wieder aufbauen; ihm ging es um Bildung. Und die Burg war auch von Anbeginn immer öffentlich zugänglich – im Gegensatz zu König Ludwigs Schlössern im Voralpenland.
Weimar und Bildung gehörten immer eng zusammen.
Wobei man das, im Vergleich zu heutigen Bildungskonzepten, natürlich auch wieder relativieren muss; denn diese Bildung war nur an die Schicht der „Kulturbürger“ adressiert. Siehe auch den Ausstellungstitel, der ja jetzt nicht mehr „Die Wartburg kommt aus Weimar“ heißt, sondern:
„Carl Alexanders Kulturkonzepte für die ganze gebildete Welt“.
Insgesamt ist es eine Ausstellung, die die Leistungen des Großherzogs unbedingt würdigt, ihn aber nicht blindlings huldigt.
Wer stattdessen Huldigungen an Weimarer Fürsten sucht, der kann sich noch bis 6. März im Ausstellungsraum in der Anna- Amalia- Bibliothek viele zur Schau gestellte Huldigungsschriften an den Weimarer Hof betrachten.
(Wolfgang Renner)