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Aktuelles

Aktuelles vom 14.02.2011

Ein Leitbild für das Kulturland Thüringen? - Seit kurzem ist ein „Leitbild Kulturland Thüringen“ auf den Internet-Seiten der Landesregierung zu finden. Bei einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch in der Staatskanzlei wurde dieses Leitbild vorgestellt. Aber: Wozu brauchen wir eigentlich solch ein Leitbild?
Es soll Orientierung geben, soll Pflöcke einschlagen, um einen Weg zu kennzeichnen, vor allem aber soll das Leitbild ein Ziel beschreiben, wohin die Kultur im Lande sich bewegen möge. Es geht gewissermaßen um die Schwerpunkte in der Kulturpolitik, und damit auch um Förderung und Finanzierung von Kultur.
Wenn die öffentliche Arbeit an einem Leitbild gut funktioniert, dann ist ein solcher Prozess dazu fast wichtiger als das Ergebnis selbst: Verschiedene Bereiche von Politik und Gesellschaft befassen sich mit Fragen zur Kultur, und wollen auch gemeinsam etwas bewirken. So kann das im besten Falle (neben den leidlichen Fragen ums Geld) auch neue Motivationen schaffen.
Und die hat Thüringens Kulturszene durchaus nötig.

Von der Arbeitsmethode her beginnt eine Leitbild-Entwicklung grundsätzlich mit der Analyse, was dieses „Kulturland Thüringen“ wohl ist (im guten wie im weniger guten Sinne), was es sein könnte und überhaupt, ob es zu wirken vermag. Und dann muss man sich darüber verständigen, wohin man in welchen Zeiträumen gelangen will. Es ist das Bekenntnis zu einer kulturellen Vision gewissermaßen. Und alles Weitere – also den Weg und die Methoden seiner Bewältigung – soll dann noch eine Kulturkonzeption des Landes beschreiben.

Das alles klingt sehr bedeutend. Von den Diskussionen dazu hat man zwischenzeitlich allerdings sehr wenig vernommen.
Erfüllt denn das nun vorliegende Leitbild diese Erwartungen?

Wenn man auf die Kommentare der Presse und die Statements verschiedener Parteien und Verbände schaut, kann man feststellen: Nein; es erfüllt die im Vorfeld sehr hochgesteckten Erwartungen nicht. Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen.
Schon die wegweisende Prämisse des Kulturministers zu Beginn seiner Amtszeit sorgte bei vielen Kulturakteuren für neuen Mut, nach etlichen Jahren kulturpolitischer Depressionen im Lande. Matschie erklärte damals:
„Man solle nicht danach fragen, ob sich das Land die Kultur noch leisten könne, sondern man müsse fragen, was die Kultur für das Land leisten kann“. Das war großartig, endlich eine Wertschätzung für die kulturelle Arbeit. Die allerdings alsbald wieder in den Mühlen alltäglicher Kulturbürokratie verebbte.

Das heißt: Es wurden demnach bei der Leitbild-Entwicklung Fehler gemacht!
Der erste Fehler dabei war wohl, dass nicht schonungslos und ehrlich genug analysiert wurde, welchen Wert und welche Wirkung Thüringens Kultur tatsächlich hat, - bei den Menschen, für die Bildung, bei der Wirtschaft oder auch für den „Rest der Welt“. Statt dessen „Sonntagsreden“ über die große Bedeutung und die großartigen Leistungen – und überhaupt: Wir sind die Besten... Kein Gedanke dazu, dass unsere Museen, Theater, Orchester in keiner ersten Liga spielen, dass Bereiche wie Architektur, Literatur, Film oder Kunst keine herausragende Bedeutung in Deutschland haben, und dass Rock, Pop, Jazz oder Events, wie das „Kunstfest Weimar“, von einer internationalen Aufmerksamkeit noch weit entfernt sind.
Nur, was mit Leistungen unserer Vorväter oder dem kulturellen Erbe zu tun hat, da hat man uns noch nicht abgehängt...

Das „Kulturland Thüringen“ ist damit eine abstrakte Worthülse geblieben; jeder verstehe nun darunter, was er selbst wolle. Und medial ist das „Kulturland Thüringen“ als solches auch nicht erkennbar.
Und eben das ist dann wohl der zweite bemerkenswerte Fehler bei dieser Leitbild-Entwicklung: Es sagt alles, und damit nichts...
Genauso sehen es ja auch die Pressereaktionen, die waren teils verheerend.
„Noch nicht mal ein Visiönchen“ und „Wohlfühlprosa“, meinte die Kulturinitiative Thüringen. „Erschütternd enttäuschend und unterm Strich nichtssagend“, beschreibt die Grüne Landtagsopposition das Papier. „Konservative Zukunftsfortschreibung mit recht defensiven Handlungsoptionen“ und „Konsensgeheische“, so findet die TLZ. Und in der TA liest man: „Das Papier zeugt vom guten Willen, enthält kaum Konkretes und markiert eine Etappe auf dem unabsehbar langen Weg zu einem Thüringer Kulturkonzept.

Da muss man allerdings auch anmerken, dass viele der Kritiker wohl auch nicht verstanden haben, was ein Leitbild überhaupt leisten soll und leisten kann. Und viele (auch der hier nicht genannten) Kritiker haben sich bisher auch nicht mit besseren Vorschlägen zu Wort gemeldet. Die Kulturinitiative Thüringen und die Landtagsfraktion der Linken kündigten jetzt zumindest das an, was sie ja eigentlich längst hätten tun können.

Wie kann man sich denn solche besseren Vorschläge vorstellen?

Ich will das mit vier arg verkürzten Beispielen verdeutlichen:
Da könnte es beispielsweise heißen: Wir haben ein reiches kulturelles Erbe zu bewahren und die Kultur ist aufgerufen, dieses Erbe zu vermitteln und dadurch zu beleben.
Oder es könnte heißen: In Thüringens „Grünen Herz“ treffen Natur und Landschaft mit Kultur und Geschichte eng aufeinander, und aus dieser Begegnung erwächst eine besondere Lebensqualität, die wir für die Menschen hierzulande (vom Dorfbackhaus bis zum Sinfoniekonzert) entwickeln wollen.
Oder aber: Thüringen setzt, in Ermangelung großer Wirtschaftszentren, auf den Kulturtourismus, dafür muss Kultur ein Dienstleister sei.
Ein letztes mögliches Beispiel: Thüringen ist in seiner Kulturgeschichte immer kreativ gewesen, wir greifen diese Tradition auf, indem wir eine moderne, innovative, ästhetische Kultur des Zeitgenössischen fördern und ausbilden. Und so fort...
In solchen unterschiedlichen Ausgangslagen stecken schon gewisse Unterschiede für künftige Handlungsoptionen drin.

Ich will aber nicht falsch verstanden werden: Es geht hier nicht darum eine unverrückbare Linie der Kulturpolitik festzulegen (wie in DDR-Zeiten), sondern um eine gesellschaftliche Vereinbarung über ihre wichtigsten kulturellen Anliegen.
Eine deutlichere Schwerpunktsetzung, wie man sie sich wünschte, hätte dann aber auch zur Folge, dass man es keinesfalls allen recht machen kann. Aber es wäre eine Abkehr von der Beliebigkeit und eine bessere Orientierung für die Akteure gewesen. Und wem es nicht gefällt, der kann ja dann diese Kulturpolitik abwählen...

Also, muss man diese Kulturpolitik jetzt abwählen? Das Zwischenergebnis ist ja – wie wir bemerkten – nicht so sehr erfolgreich.
Nein, abwählen – oder sich abwenden – muss man wohl nicht. Der Prozess hat ja eigentlich erst begonnen, und sein Ende ist noch nicht absehbar. Wahrscheinlich ist das, was gerade passiert, allemal noch besser als das, was wir in früheren Legislaturperioden kulturpolitisch erlebt haben. Aber das Prozedere dauert den Akteuren viel zu lange. Vielleicht sollte sich der Minister Beratung auch in weiteren Aktionsfeldern suchen, nicht nur in Verbänden, welche viele Bereiche der Alltags-, Regional- und Produktionskultur gar nicht mehr abbilden. Vielleicht sollte er auch das Papier extern verfassen lassen, und nicht durch die Ministerialbürokratie selbst. Auf alle Fälle muss man in den folgenden Schritten recht bald noch viel konkreter werden, sonst schafft der Prozess Unmut statt Sinn: Thüringen leistet sich ein ganzes Jahr für die Erarbeitung von sechs relativ wenig gehaltvollen Seiten. Die globalen Entwicklungen, auch in der Kulturwelt, sind da sehr viel schneller und haben das Land inzwischen schon wieder ein Stückchen weiter ins Abseits gerückt.

(Wolfgang Renner)

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