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Aktuelles

Aktuelles vom 22.02.2011

Traumwelten und Pygmalion - Amateurtheater kommt in den Medien nicht so häufig vor.
Wolfgang Renner war an diesem Wochenende gleich zweimal in dieser Szene unterwegs. Hat sie mehr Aufmerksamkeit verdient?

Es stimmt, dass man vom Amateurtheater weniger hört als von anderen Kunstsparten. Das heißt aber nicht, dass man in diesem Bereich sehr schläfrig oder gar langweilig wäre.
Ich war am Sonnabend in Apolda und habe mir „Pygmalion“ von George Bernard Shaw angesehen. Und ich war am Sonntag im Stellwerk-Theater, hier im Weimarer Hauptbahnhof, - da fand eine Präsentation einer Nachwuchstruppe statt, – Kindertheater also.
Die Leiterin des Stellwerk-Theaters, Katrin Schremb, findet übrigens, dass ihr Theater durch Radio LoTTe eine gute mediale Unterstützung erhält.
Aber im Allgemeinen stimmt es schon, dass man die engagierte und emotional berührende Arbeit der Amateurtheater viel zu selten rühmt. Es gibt da zwar einige Festivals, oder die Schultheatertage in vielen Städten, die eine gute Aufmerksamkeit finden. Aber der unspektakuläre Alltag, das ganze Jahr über, wird in der Öffentlichkeit zu wenig reflektiert. Dabei sind es doch gerade die vielen Anstrengungen, großen Überwindungen und kleinen Erfolge sehr vieler, unbekannter Akteure, die immer wieder aufregend und auch wichtig sind.

Amateurtheater muss man natürlich anders bewerten als das professionelle Ensemblespiel. Hier gibt es andere Motive, auf die Bühne zu gehen. Und auch das Publikum, das zum Amateurtheater geht, tickt ganz anders als in einem hehren Theaterhaus.

Selbst in Apolda hat er sich ein Stück angesehen. Nun ist Apolda aber nicht gerade als Theaterstadt bekannt.

Das stimmt. Im Veranstaltungssaal auf dem Schloss gibt es zwar alljährlich ein kleines Kabarett-Festival und manchmal spielt an den Wochenenden eben das Amateurtheater, ein reines Laien-Ensemble berufstätiger Leute. Aber ins-gesamt wird das Publikum dort mit solcherart Veranstaltungen nicht verwöhnt.
Die Truppe hat sich in diesem Jahr an „Pygmalion“ von George Bernard Shaw herangewagt. Eine gute Wahl, wie ich fand: Ein bisschen Klamotte, zugleich ein gewisser Ernst des Themas und auch etwas Zeitgeist im Stück, - noch immer. Gerade jetzt, wo man Bildungspakete für Kinder in Hartz IV-Familien diskutiert.
Leider hat die Regisseurin, diese möglichen politischen Querverbindungen im Stück nur marginal aufgegriffen. Beispielsweise in einer Szene, da Mr. Doolittle, der Aschefahrer, sich plötzlich als ein reich gewordener Mann wiederfindet und die Mittelstandskultur bitter beklagt. Früher, in Armut also, hatte er sich wohler, weil ehrlicher, gefühlt.

Shaw hat natürlich nicht unsere heutigen Bildungsfragen im Blick haben können. Ihm ging es zuerst um die Frage der Beziehungsfähigkeit von Menschen.
Pygmalion ist in der griechischen Sage ein Bildhauer, der sich in sein eigenes Werk verliebt hat und zu keiner anderen Beziehung mehr fähig ist. Und das ist die Parallelität Shaws: Der Phonetikprofessor Higgins im London des vorvorigen Jahrhunderts holt aufgrund einer Wette ein Blumenmädchen aus dem Slum und lehrt es Sprache und Stil, um sie einer feinen Gesellschaft als Herzogin zu präsentieren. Aber was soll Eliza Doolittle nach dem erfolgreichen Wettverlauf – nunmehr als Kunstfigur sozusagen - noch mit dem Erlernten anfangen, wenn es in keiner Beziehung mehr zu irgendwem oder irgendwas steht...
Ich denke, das Stück ist weitgehend bekannt – wenn nicht als Schauspiel „Pygmalion“ von Shaw, dann doch als Musical „My fair Lady“. Shaw selbst hatte sich zwar immer dagegen verwahrt, dass sein Stück zu einer Operette verarbeitet würde, woraus man folgern kann, dass er es doch als ernstes und inhaltlich brisantes Drama begriffen hat.

Die Apoldaer Truppe hat sich aber auch für den Spaß im Stück zuerst interessiert. Eliza Doolittle spricht einen breit fläzigen Thüringer Dialekt. Und hat damit die größte Publikumsbegeisterung auf ihrer Seite. Auch wegen einiger flotter Sprüche, die nicht im Text von Shaw stehen.
Und Mr. Higgins, der vom Chef der Truppe, Martin Vollrath, gespielt wird, muss angestrengt betont gutes Hochdeutsch sprechen, was das Tempo des Stücks mitunter etwas hemmt.
Nichtsdestotrotz: Alle sind mit Herzblut dabei, und jede noch so kleine Rolle wird mit großer Vehemenz gespielt. Und gerade solche Spiellust sind ja auch ein besonderes Merkmal von Amateurtheater. Dafür steckt man gern manche schauspielerische Begrenztheit weg.

Demnach kann man dem Weimarer Theaterfreund eine Fahrt nach Apolda empfehlen?

Das kommt ganz auf die Erwartungen und Ansprüche an. Irgendwann im Stück kam mir der Vergleich in den Sinn, es könnte sich hier um eine gehobene, also durchaus niveauvolle, Karnevalsveranstaltung handeln. Man muss es mögen... Ich habe mich jedenfalls gut amüsiert. Und „Pygmalion“ wird in Apolda noch mehrfach gespielt; man kann die Termine im Internet nachlesen.

Amüsiert habe ich mich aber auch bei meinem zweiten Amateurtheaterbesuch am Wochenende, im Weimarer Stellwerk. Hier war das Vergnügen aber ganz anderer Art. Da gab es einen Einblick in kindliche Traumwelten, von Kindern selbst dargestellt, etwas verrückt, mit einer Menge Witz, und in jedem Falle spielwütig.
Es ging um Phantasiewelten, in welche sich die etwa Neun- bis Zehnjährigen gern aus der Erwachsenenwelt zurückziehen: Szenen aus Schule, Familie, aus Filmen oder mit Freunden und Freundinnen tauchen auf, werden neu gestellt und mischen sich mit Träumen junger Leute, wie paradiesisch schön doch die Welt sein könnte...
Das alles war gut montiert. Es waren Etüden, Erprobungen des darstellerischen Talents, quasi Werkstattszenen, welche die Mädchen und Jungen vom stellWERKRAUM „wild level“ auf die Bühne brachten. Und auch das war durchaus sehenswert.

Amateurtheater ist immer für interessante Entdeckungen gut.
Und die hat man mitunter auch gleich vor der eigenen Haustür.

(Wolfgang Renner)

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