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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 28.03.2011

Luther - Liszt - Leibrock - Antonia Woitschefski:
Luther, Liszt und Leibrock. Wie geht das zusammen?

Wolfgang Renner:
Auf den ersten Blick ist es wohl nur der Stabreim, der die drei Personen zu einem gemeinsamen Thema zusammenführt. Auf den zweiten Blick ist es das Thema der kulturellen Jubiläen. Oder die Frage danach, wie man eben solche bestmöglich begehen sollte. Da gibt es ja verschiedene Herangehensweisen, vor allem viele verschiedene Interessen, was man überhaupt mit solchen Gedenkzeiten erreichen will.
Und mittlerweile sind es ja auch längst nicht mehr nur die Jubiläumstage, sondern ganze Jahre, - wie wir es mit Schiller oder der Heiligen Elisabeth und vielen anderen bereits hatten. Oder wie wir es mit Liszt in diesem Jahr und bei van der Velde im nächsten Jahr haben werden. Oder um ein Gedenken sogar in 10-Jahres-Schritten, wie wir es jetzt mit Luther-Dekade bis 2017, anlässlich der Reformation vor 500 Jahren, bereits erleben.
Meist melden sich da zuerst die Tourismus-Manager zu Wort, weil sie mit allbekannten Namen als Werbeslogan Reiselustige in ihre Region locken wollen.
Aber auch der Stolz der Bürger, und das, was man Identität nennt, wird berührt. Die Medien sollen dies dann bestenfalls begleiten. Und wenn man sich kulturpolitisch sogar in der Tradition eines der großen Geister wähnen kann, mögen das Kultur-Obere und Politiker besonders gern feiern.

Antonia Woitschefski:
Was wäre denn eine Alternative dazu?

Wolfgang Renner:
Dass man mit solchen Gedenktagen noch viel mehr auf die eigentliche Bildung setzt. Oder sagen wir so: Dass man diese Bildung auch anders vermitteln kann. Denn die Jubilare werden ja in Schulen, in Medien oder mit Ausstellungen und in den Sonntagsreden durchaus gebührend gewürdigt. Und die kulturellen Institutionen sind durchaus bemüht, am Beispiel der Jubilare auch kulturelle und gesellschaftliche Prozesse in unserem heutigen Leben darzustellen.
Dann aber kommen die wirtschaftlichen Interessen, zumeist in Form der Tourismusindustrie, und machen solche Bemühungen sehr oft wieder ziemlich platt.
Gerade auch die Frage nach den eigentlichen Werken der Jubilare geht meines Erachtens viel zu oft verloren bei solchen Kampagnen.
Um nur ein Beispiel dafür zu nennen: Im Schiller-Jahr hat alle Welt gelernt, dass Schiller zwei Frauen geliebt hat, und sich für die eine nur entscheiden konnte, weil die andere schon verheiratet war...
Aber ich glaube, dass in diesem Jahr kaum eines seiner Bücher mehr gelesen wurde, als in anderen Jahren sonst auch.

Antonia Woitschefski:
Nike Wagner hat sich ja auf der Pressekonferenz zum Liszt-Jahr ähnlich kritisch geäußert. Sinngemäß so: mit „Liszt macht Laune“ oder Thüringen „überlisztet“ sollte jetzt Schluss sein; denn es geht ja um Kunst – und das ist doch viel mehr...“

Wolfgang Renner:
Ja, - ich habe das auch in einem Presseartikel gelesen – und es hat mir gut gefallen.
Ein Problem Thüringer Kulturpolitik scheint mir zu sein, dass immer die Vielfalt ein Programm sein muss. D.h., zu einem Thema soll immer alles, was gerade greifbar ist, auch präsentiert werden.
Im Falle Liszt führt man da in Sondershausen sogar ein Werk auf, welches er mit 13 Jahren schrieb. Man hofft zwar, mit solchen Projekten eine besondere Aufmerksamkeit zu erhalten, setzt sich aber gleichzeitig der Gefahr aus, einen freilich unfertigen Liszt zu präsentieren und damit dem Meister nicht genügend gerecht zu werden.
Und wenn man ein Festival, – als welches sich das Liszt-Jahr ja versteht –, programmatisch verwässert, wird es konturlos und verliert letztlich an Wirkung.
Um dabei auf Luther zu kommen: Da gab es vor ein paar Tagen im Erfurter Augustinerkloster eine Präsentation vieler Vorhaben, welche Kommunen, Vereine und Institutionen zur anstehenden Luther-Dekade planen.
Es ist bemerkenswert, wie viele Initiativen es dazu mittlerweile schon gibt. Und die möglicherweise dabei entstehenden Netzwerke sind vorteilhaft für das Kulturleben im Lande. Das will ich gar nicht in Abrede stellen.
Aber auch hier zeichnet sich bereits dieses Dilemma ab: Es geht zumeist darum, über das Thema Aufmerksamkeit für eine Kommune oder eben für den touristischen Aufschwung zu erlangen: Daher Luther in allen Facetten. Und seltener ist das eigentliche Anliegen, nämlich das Wesen und die Bedeutung der Reformation für unser gegenwärtiges Lebens zu beleuchten.

Antoina Woitschefski:
Und was hat dann Leibrock mit all dem zu tun?
Wir erinnern uns: Felix Leibrock war ein paar Jahre lang Stadtkultur-direktor in Weimar und ist jetzt Pfarrer an der Lutherkirche in Apolda.

Wolfgang Renner:
Für mich gibt Felix Leibrock eine der möglichen Antworten auf die Frage, wie man solcherart Jubiläen auch begehen kann.
Bei besagter Tagung im Augustinerkloster fiel mir zudem auf, dass die eigentlichen Luther-Städte – also Eisenach, Erfurt etc. – fast nur konventionelle Projekte anbieten: Da geht es um Stadtführungen und Workshops für Schüler, es geht um Pilgerwege und Ausstellungen oder um die mediale Aufbereitung des Themas.
Die spannenderen, innovativeren Projektideen kamen aber aus der B-Liga der Lutherstädte. Gotha zum Beispiel. Oder eben Apolda, das im Zusammenhang mit Luther ja nur auf eine Lutherkirche verweisen kann. Die aber hat eine interessante Geschichte, welche – wenn man es recht bedenkt – sehr viel mit späten Folgen der Reformation zu tun hat.
Leibrock und ein Verein in unserer Nachbarstadt wollen ein Spiritual (anstelle eines Musicals) auf die Bühne – oder sagen wir besser: auf den Altar der Lutherkirche – bringen.
Wie das künstlerisch einmal werden mag, lässt sich momentan natürlich noch nicht sagen. Aber da sind Profis am Werk beteiligt, bspw. um ein technisch neuartiges Licht- und Sound- Design umzusetzen. So will u. a. der MP3-Erfinder, Prof. Brandenburg vom Fraunhofer-Institut in Ilmenau, eigens ein Konzept für Apolda entwickeln.
Luther und Reformation als Anlass für visual- und tontechnische Innovation – mal sehen, wie das zusammengeht. Am Anfang klingt das alles ja sehr spannend...

Antonia Woitschefski:
Felix Leibrock hat auf der Leipziger Buchmesse vor ein paar Tagen einen neuen Roman vorgestellt. Der heißt „Lutherleben“. Hat die Veröffentlichung des Buches auch etwas mit den Jubiläen zu tun?

Wolfgang Renner:
Leibrock bereitet sein Luther-Projekt auf vielfältige Weise, und auch sehr unkonventionell, vor: Er macht Pilger- und Straßenmusik-Touren. Und er schreibt Bücher: Bereits in seinem letzten Buch „Tempelbrand“ taucht das Projekt dieses Luther-Spirituals mehrfach auf. Am vergangenen Freitag stellte er nun sein neues Buch auch in Weimar, im Bienenmuseum, vor. Und wie der Titel des Buches es schon erahnen lässt: Da geht es um eben dieses Verständnis zu Luther. Aber es geht in seinen Geschichten auch um ein Erkennen von Luthers Wirkung in heutiger Zeit.

(Wolfgang Renner)

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