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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 02.05.2011

LesArten - Alles anders? - Shanghai Drenger:
In diesen Frühlingstagen gibt es in Weimar wieder sehr, sehr viele Veranstaltungen. Und es ist schwer, dabei einen Überblick zu behalten.
Welche Veranstaltungen hast Du zuletzt aufgesucht?

Wolfgang Renner:
Ich war zweimal bei den „LesArten“.
Da geht es um einen Blick auf unsere Welt: Wie man sie wahrnehmen kann, wie wir sie werten... Da gibt es ja durchaus sehr unterschiedliche Sichtweisen und Deutungen. Und die kann man zu erklären versuchen, bestenfalls mit Literatur.
Eben deshalb gibt es in Weimar auch das literarische Festival „LesArten“.
Oder ist es ein Festival des literarischen Vortrags?
Jedenfalls finden noch weiterhin bis zum 20. Mai mehr als 20 Autoren-Lese-Abende statt, zudem gibt es Literaturverfilmungen im Kino „mon ami“.
„Alles anders“ ist das diesjährige Motto dabei.

Shanghai Drenger:
In Weimar gibt es im Verlaufe eines Jahres auch sehr viele Lesungen. Können da die „LesArten“ – zumal nun „Alles anders“ ist - in der Fülle der Veranstaltungen bestehen?

Wolfgang Renner:
Ich habe mir am Donnerstag Roger Willemsen angehört, und am Sonnabend war ich bei Peter Ensikat. Und beide Abende im „mon ami“ waren sehr gut besucht.
In der Tat, es ist schwer, in diesen Tagen sich für eine der vielen Weimarer Veranstaltungen zu entscheiden. In den Stadtnachrichten von Radio LoTTe kam vorige Woche die Meldung, dass der neu erschienene Veranstaltungskalender durchschnittlich etwa 25 Veranstaltungen pro Tag ausweist. Und da will ich noch ergänzen: In diesem Kalender sind die Programme von Kasseturm, Schützengasse, C-Keller und vielen anderen Einrichtungen noch gar nicht enthalten... Allein der 1. Mai in Weimar ist ja solch ein Beispiel der großen Veranstaltungsfülle. Und neben all den Aktionen zum 1.Mai und den Partys in der Walpurgisnacht, zwischen Osterspaziergängen und dem vielfältigen kulturellen „Alltag“ in der vergangenen Woche, da begannen ja gleichzeitig noch drei besondere Festivals: Die Frühjahrstage der zeitgenössischen Musik, das Literaturfestival „LesArten“ und die Shakespeare-Tage, wie sie alle zwei Jahre Ende April in Weimar stattfinden.
Da stellt sich sofort die Frage: Wer soll all das wahrnehmen?
Und auch: Wie vermittelt man das ganz besondere Ereignis noch in dieser Fülle? Aber die „LesArten“ hatten bisher ihr Publikum. „Alles anders“ – man geht nicht nur zum Flohmarkt, sondern auch zur Literatur.

Shanghai Drenger:
Mit Willemsen und Ensikat begann das Festival doch sicher heiter?
Wir kennen die beiden doch als unterhaltsame und amüsante Autoren?

Wolfgang Renner:
Ja, ich denke, viele werden Willemsen noch aus früheren Fernsehsendungen gut kennen. Er hatte viele Fans auf seiner Seite, als er im „mon ami“ über „Die Enden der Welt“ und über das Leben – und hier besonders über das Reisen – sprach und gewohnt amüsant reflektierte. Das alles war sehr nett und kurzweilig, - gutes Feuilleton im besten Sinne. Außerdem dramaturgisch gut gemacht, bei freier Rede den ganzen Abend über.
Willemsen, ein Plauderer vor dem Herrn, parlierte über einzigartige und individuelle Endpunkte im Leben – Reisebilder, von anderen Kontinenten, aber nicht nur – sondern eigentlich über die Endpunkte der Liebe, des Begehrens, der Ordnung oder der Illusionen.
Ich muss allerdings gestehen, dass ich mir außer einer Erinnerung an einen stimmungsvollen literarischen Abend nicht viel an Anregungen davon bewahren konnte.
Eine etwas andere Art Weltsicht bescherte mir dann zwei Abende später Peter Ensikat. „Ihr könnt ja nichts dafür!“ Ein Ossi verzeiht den Wessis - so verkündete es sein Programm.
Ensikat kennt man als Autor der Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“, auch als Kabarettisten und künstlerischen Leiter des Berliner Kabaretts „Die Distel“.
Ein Ossi durch und durch, aber mit weiter Weltsicht. Und nun, so meint er, ist es endlich an der Zeit – nachdem jahrzehntelang allwissende Westdeutsche ihren Landsleuten aus dem Osten mit mehr oder weniger Nachsicht das Leben in der Diktatur erklärt haben – ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ihnen mit der gleichen Sachkenntnis und Gründlichkeit ihr Leben in der Demokratie zu veranschaulichen.
Das war amüsant, und in vielen Passagen erhellend zugleich. Seine Lesung eröffnete Ensikat übrigens mit der Feststellung: „Die Zeiten sind schon wieder so schlecht, dass es wieder politische Witze gibt.“

Shanghai Drenger:
Wird es so kabarettistisch weiter gehen bei den „LesArten“?

Sicher nicht immer so heiter, aber doch wohl spannend.
Heute liest Landolf Scherzer in Schöndorf über „Letzte Helden“, morgen ist Klaus Hoffmann zu Gast. Aber es sind ja nicht nur die Autoren und Vorleser, die es im Zusammenhang mit den „LesArten“ zu würdigen gilt. Anerkennung muss man wohl unbedingt auch denjenigen zollen, die dieses Festival inmitten dieser Weimarer Veranstaltungsvielfalt, wie wir sie eben beschrieben haben, noch zu platzieren. Da kann sich nur Qualität durchsetzen, damit solch ein Ereignis Festival nicht unbemerkt verstreicht.
Und in diesem Zusammenhang hat auch Roger Willemsen der Organisatorin, Angela Egli von der Stadtkulturdirektion, Dank gesagt mit einem Verweis auf das Brecht-Gedicht von der „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking ...“ Da entreißt ein Zöllner einem Weisen sein Wissen: „Schreib mir´s auf! … So was nimmt man doch nicht mit sich fort.“
Und Brecht schließt sein Gedicht, was Willemsen auf die Veranstalter münzte: „Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
Dessen Name auf dem Buche prangt!
Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt.“

(Wolfgang Renner)

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