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Kulturrückblick

Kulturrückblick vom 16.05.2011

Kreisheimattag im Weimarer Land - Antonia Woitschefski:
In der vergangenen Woche fand im Weimarer Land der
15. Kreisheimattag statt. Das klingt bei vielen nicht nach einer spannenden Veranstaltung. Was muss man denn nun unter solch einem Heimattag verstehen?

Wolfgang Renner:
Der Heimattag ist das jährliche Treffen vieler Akteure, die sich in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld oder für eine Landschaft engagieren. Die Heimatpflege vereint dabei viele Arbeitsgebiete: Naturschutz, Denkmalpflege, Heimatforschung und Ortschronik, Mundart, Brauchtum oder Flurnamensammlung, Archivarbeit, landeskundliche Bildung, Regionalgeschichte, Ethnografie, Geologie und so weiter. Auch viele Projekte der Lokalen Agenda 21 und etlicher Leader-Programme sind Heimatpflege pur. Und damit beschäftigen sich ja sehr viele Menschen überall im Land.
Der Heimattag bietet ihnen eine Zusammenkunft und ein Forum.

In etlichen Landkreisen ist der Heimattag dabei so etwas wie eine Fachtagung. Das ist in dieser Form auch meist sehr interessant. Andernorts versteht man Heimattage gewissermaßen als ein „Familientreffen“ all jener Akteure: Man hört Vorträge und spricht mit den Fachkollegen: Von Zeit zu Zeit sieht man sich eben gern, und bestätigt dabei einander, wie wichtig die Heimatpflege ist.

Und manchmal sucht solch ein Heimattag auch die Nähe zur Politik. So geschehen auch in der vergangenen Woche im Weimarer Land. Und zwar auf der Wasserburg in Kapellendorf.


Antonia Woitschefski:
Nun hat ja der Heimatbegriff so etwas wie eine Renaissance.
Bis vor wenigen Jahren war vielen Menschen ein Heimatgefühl noch suspekt. Das ändert sich jetzt.
Wie viel Heimat braucht denn der Mensch?


Wolfgang Renner:
Heimat, das scheint mir eine tiefe Sehnsucht in einer verworrenen Zeit zu sein. Diese Sehnsucht ist diffus, und kann vieles bedeuten: Orte der Kindheit, unberührte Natur, Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, manchmal ein Essen, ein Dialekt, und ganz wichtig für Heimat ist: eine Gründung, ob in Familie, Beruf, Verein etc..

Von seiner Herkunft ist Heimat ein sozialer Begriff; er bedeutete ursprünglich die Geborgenheit in einer Gemeinschaft und den Schutz vor den Unbilden der Welt draußen. Heimat hatte nur, wer zugehörig war, und für den ward dann auch stets gesorgt. Aber solch sozialer Aspekt macht es dem Fremden auch sehr schwer, eine Zugehörigkeit oder Heimat zu erwirken.

Die Moderne warf solcherart Heimatdenken dann über den Haufen:
Kapitalistische Produktionsformen brauchen Mobilität und Flexibilität und nicht das Kleben an der Scholle. Schließlich haben die Nazis den Heimatbegriff ideologisch arg missbraucht. Und das alles hat Heimat in Misskredit gebracht: Viele Jahre lang war es richtig verpönt, von Heimat zu sprechen.

Heute versteht man unter dem Begriff Heimat eher etwas Geografisch-Kulturhistorisches, und emotional verbindet sich damit zumeist eine Landschaft. Ökologie und Globalisierung befördern ihre Renaissance. Es wird vielen Menschen dabei wieder bewusst, dass man mit einem Verzicht auf Heimat sein eigenes Leben nicht unbedingt bereichert.


Antonia Woitschefski:
Heimatpflege ist demnach immer auch politisch?
Hat der Kreisheimattag auch solche gesellschaftspolitischen Aspekte thematisiert?


Wolfgang Renner:
Der Arbeitsalltag der Akteure ist wohl eher unpolitisch.
Dort tummeln sich meist ältere Menschen (der Nachwuchs ist rar) und diese Heimatfreunde bilden all zu oft in sich geschlossene Zirkel mit wenig Wirkung nach außen. Kulturpolitisch will man dem jetzt mit Netzwerkbildungen und neuen Strukturen begegnen.
Das Weimarer Land gilt dabei als Vorreiter in Thüringen und als Modellregion.

Politisch ist ein Heimattag hier wohl eher, weil er Politikern ein angemessenes Podium bieten kann. Und so kamen zu den etwa 200 Zuhörern in der vergangenen Woche auch Landtagsabgeordnete, Bürgermeister, ein Stiftungspräsident, und Landrat und sogar die Ministerpräsidentin persönlich nach Kapellendorf.
Was als eine große Ehrenbezeugung gedacht, ist gleichzeitig aber auch ein Dilemma der Veranstaltung: Viel zu viele staatstragende Reden über Notwendigkeit, Wichtigkeit, Bedeutung und Erfolge. Alles schon bekannt, kaum Neues, was da verkündet wurde. Selbst die Erfolge, die man herbei zitierte, waren schon ein paar Jahre alt. Dabei hatte man in der Einladung doch gerade neue Ausblicke versprochen.


Antonia Woitschefski:
Das klingt jetzt eher nach Stillstand und nicht nach Renaissance. Oder täuschen da die Eindrücke vom Heimattag?


Wolfgang Renner:
In der gesellschaftlichen Wahrnehmung gewinnt Heimat derzeit.
In der althergebrachten Heimatpflege mag sie tatsächlich noch stagnieren.
Ich glaube, ihre wichtigste Aufgabe derzeit ist, dass sie sich nicht im Pflegen und Bewahren erschöpft, sondern immer auch als einen Prozess begreift, der Fortentwicklung beinhalten muss.
Aber davon habe ich bei diesem Heimattag nichts gehört.

Die Ministerpräsidentin sprach von „Herzensangelegenheit“, und hielt damit die Heimatpflege auf der emotionalen Ebene, alles Rationale vermeidend. Und sie sprach von der Heimat als einem anthropologischen Wert: Heimat als Kultur des Zusammenlebens und der Sinnstiftung im Kontext zum gesichtslosen Mainstream rund um den Globus. Aber so etwas klingt in meinen Ohren eher wie eine Beschwörung, und zeigt doch eigentlich nur die politische Handlungsohnmacht in der Moderne.

Der Präsident der Thüringer Schlösser- und Gartenstiftung erinnerte die Politiker im Raum, dass die Thüringer Denkmalpflege zu wenig Geld erhalte. „Wir müssen das immer und immer wieder in Erinnerung rufen und entsprechende Konzepte der Politik anmahnen“, sagte er. Immerhin, er wolle mit seiner Arbeit ja die Steine zum Sprechen bringen. Und dann verwies er auf einen Aspekt, der in der Szene der Heimatpflege auch noch relativ wenig Beachtung findet: Heimatpflege muss auch immer Bildung sein.

Und der Gastgeber, Landrat Münchberg? Er trug Skepsis zur Impulsregion vor: Sie setze zu sehr auf Leuchttürme anstatt auf die Förderung eines lebendigen Dorflebens in der Fläche. Womit er bei der Frage des demografischen Wandels war und als Antwort auf dieses Problem ausgab: Keine Gebietsreform riskieren; was sich bewährt hat, muss erhalten bleiben.
Ja, und dann konnte er sich einen politischen Seitenhieb doch nicht verkneifen: Ihm sei eine Ministerpräsidentin, die in Heichelheim Kartoffeln pflanzt, viel lieber als ein Minister, der Windräder auf die Thüringer Berge pflanzt, sagte er.

Dann gab es noch Auszeichnungen und Informationen zur Burg.
Ja, und das war der 15. Kreisheimattag im Weimarer Land.

(Wolfgang Renner)

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