Kommentar
Kommentar vom 02.04.2004
Mehrarbeit im öffentlichen Dienst -
Was müssen wir aus deutschen Landen hören?
Nach schwer erkämpften 38,5 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit hat Vorgestern die bayerische Landesregierung kurzerhand ihre Angestellten im öffentlichen Dienst zu einer Verlängerung der Arbeitszeit ab September 2004 auf 42 Stunden verpflichtet.
Schließlich frage ja in der freien Wirtschaft auch niemand nach Überstunden und die Angestellten im öffentlichen Dienst könnten im Allgemeinen doch froh sein, dass sie noch einen Arbeitsplatz hätten.
Wenn man die Diskussion um eine Verlängerung der Lebensarbeitzeit in diese Betrachtung mit einbezieht und das in ein Verhältnis zu der nach wie vor aufgrund der Rationalisierung systembedingt steigenden Arbeitslosigkeit setzt, stellt man sich mehr denn je die Frage, wie paradox die Situation, nicht nur in diesem Land, noch werden muss!
So saß ich doch vor ein paar Wochen auf dem Arbeitsamt, um mich arbeitslos zu melden. Die Etagen sind nach Berufszugehörigkeit getrennt. Warteten in den ersten Etagen die Arbeiter und Angestellten auf die Verwaltung ihrer Arbeitslosigkeit, fuhr ich mit dem Fahrstuhl in die 5. Etage für Fach- und Hochschulabsolventen, gewissermaßen in den Olymp der Arbeitslosigkeit.
Mit mir saßen dort unglaublich viele, wie ich fand, für diese Gesellschaft noch sinnvoll einzusetzende Menschen aller Altersgruppen gegenüber. Sie lasen in Büchern von Thomas Mann oder in Ratgebern wie "Positives Denken", was aufgrund der Örtlichkeit eine gewisse tragisch komische Bedeutung bekam.
Die Diskussion um Wochen- und Lebensarbeitszeitverlängerung muss in diesen Ohren wie ein alptraumhaftes Hohngelächter klingen. Mittlerweile wird auch dem letzten Optimisten klar geworden sein, das in diesen Tagen die einstmals umworbene gesellschaftliche Mitte von ansteigender Arbeitslosigkeit betroffen ist. Galt es vor Jahren noch als relativ peinlich zugeben zu müssen, das, neben all den Projekten der persönlichen Neuorientierung, man ja eigentlich arbeitslos sei, ist es in diesen Tagen in vielen Berufsgruppen gesellschaftliche Realität, sich bestenfalls mit ABM-Jobs oder Honorargeldern über Wasser zuhalten.
Was macht man nun mit all diesen als entbehrlich eingestuften Menschen auf den Arbeitsämtern dieses Landes?
Wehe der Gesellschaft, in der diese vorhandenen, wie heißt es doch so schön neudeutsch "human resources" , keinen Platz mehr haben, sondern ihre Ressourcen dafür verwenden, dieses System zu verändern!
Ein anschauliches Beispiel, wie man seine Arbeitslosigkeit kreativ nutzt, stellt hierbei der amerikanische Autor und Regisseur Michael Moore dar, der eindrucksvoll mit Büchern und Filmen wie "bowling for columbine" die amerikanische Konsumgesellschaft kritisiert und dabei so erfolgreich war, dass ein Gang auf das Arbeitsamt für ihn auf absehbare Zeit entfällt.
Aber das erinnert ja wohl wieder verdammt an die Tellerwäschergeschichte und von der wissen wir natürlich, als aufgeklärte Arbeitslose, das sie ein amerikanisches Märchen bleiben wird!
Lutz Drefahl
(Lutz Drefahl)