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Theaterkritik

Theaterkritik vom 05.08.2011

Michael Kohlhaas - „Michael Kohlhaas“ als Puppenspiel? Ja, „Michael Kohlhaas“ als Puppenspiel. Ganze 16 Marionetten und Handpuppen bietet Detlef A. Heinichen auf, um Kleists Novelle auf ganz besondere Weise zu zeigen. Dazu bedient er auch verschiedene Licht- und Tontechniken, mit denen das Stück verdichtet wird. Eine ungeheuere Kraftanstrengung, die an die Grenzen des Möglichen überhaupt geht. Und das macht Faszination und Problematik gleichermaßen aus. Die One-Man-And-Sixteen-Puppets-Show leidet somit fast zwangsläufig an einer gewissen Hektik und auch an den Unterbrechungen bei den zahlreichen Szenenwechseln, aber ohne an Liebenswertigkeit noch an Intensität einzubüßen. Zeitweise hat man dem einzigen menschlichen Akteur auf der Bühne einen Mitspieler oder Assistenten gewünscht. Dieser hätte mehr Linie in das Spiel bringen können. Für das nichtsdestotrotz unter die Haut gehende Spiel sorgen auch die grob geschnitzten Puppen von Günter Weinhold, die sehr lebendig, ja authentisch erscheinen. Egal ob Kohlhaas selbst, sein Knecht Herse, die Zigeunerin oder Martin Luther. Rudimentär ausgebildete Gesichtszüge zeigen, dass weniger oftmals mehr ist.

Darüber hinaus gelingt es Heinichen auch, die besondere Aktualität, die der Michael Kohlhaas durch die Jahrhunderte hinweg besitzt, deutlich werden zu lassen. Ungerechtigkeit an den Untertanen durch die Obrigkeit ist eines der zeitlosen Themen, das wohl niemals historisch wird. Und so berührt das Schicksal des Rosshändlers Kohlhaas, dessen Pferde durch den Junker Wenzel von Tronka zugrunde gerichtet werden, auch wenn das eine Begebenheit aus einer längst vergangenen Zeit ist. Art und Weise ändern sich ständig, der Grundton aber bleibt bis heute. Eigentlich verwundert es, dass offenbar kein Bankberater, der arglosen Kunden Lehman-Zertifikate angedreht hat, das Schicksal der Vasallen des von Tronka teilt, die von Kohlhaas und seinen Knechten gerichtet werden.

In der Puppenspielversion des Theatrium Bremen wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Zigeunerin gelegt, die lieber auf einen Taler verzichtet als dem Kohlhaas die Wahrheit wahrzusagen. Damit erfährt das Puppenspiel eine idealistische Komponente, die dem Ganzen aber keinen Abbruch tut. Im Gegenteil; man sollte sich diesen Leckerbissen im kühlen Schlossgewölbe nicht entgehen lassen.

Michael Kohlhaas (Heinrich von Kleist)
Regie: Ivan Pokorny
Premiere: 04.08.2011, Weimar, Stadtschloss, Innenhof Tonne

(Oliver Kröning)

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