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Buchrezension

Buchrezension vom 12.08.2011

Brücken über die Mauer - An Broschüren und Geschichtsbüchern zur jüngeren deutschen Geschichte mangelt es beinahe nicht mehr. Und so tue ich mich anfangs auch schwer damit, diese rund 200 Seiten umfassende Ausgabe einer Erinnerungssammlung anzugehen. Doch, recht schnell eingelesen, finde ich Gefallen an den Berichten. Es sind Beschreibungen von Kontakten, ganz zwischenmenschlicher Art, da wird zuerst Heinrich Grüber vorgestellt, einst Pfarrer der Marienkirche am Berliner Alex, wohnhaft allerdings in Westberlin. Er gelangte nur wenige Wochen nach der Grenzziehung nicht mehr an seinen Arbeitsplatz und wurde obendrein vom Politbüro der SED zur persona non grata erklärt. Unerwünscht, obwohl er doch erst gerade im Mai des Jahres 61 noch beim Eichmann-Prozess aufgetreten war. Als antifaschistischer Zeuge.

Andere Geschichten und Berichte ranken um mitunter eher ungewöhnliche Vorlieben. Da ist ein ruheständiger Mediziner aus dem Klinikum Berlin-Buch, der sich für den Erhalt der Bohnsdorfer Bockwindmühle einsetzen möchte. Da im Osten weder Geld noch Material vorhanden ist, die letzte Berliner Mühle ihrer Art vor dem Verfall zu retten, interessiert er einen Westberliner Mühlenfreund für das Bauwerk. Hans-Joachim Rieseberg, neben Dieter Winkler einer der Herausgeber des Buches, ist, vielleicht nicht zufällig, bekannt mit einem Gründungsmitglied des Kreuzberger Museums für Technik und Verkehr. Und so kommt es nach einem ausführlichen Hin und Her an Schriftstücken, an Besuchen, Vermittlungen und, und, und, zum detaillierten Abbau der Mühle und zum Transport nach Westberlin, wo sie bis heute in einem Außengelände des Museums zu sehen ist.

Doch auch andere Arten der Kontaktpflege werden in diesem Buch beschrieben. So startet der Ost-Berliner Fotograf Jürgen Nagel einen Briefwechsel mit dem Frankfurter Bundespolizisten Fred Prase, der ebenfalls nebenberuflich als Fotograf unterwegs ist. Der eine kennt den anderen nicht, Nagel möchte eigentlich nur Prases Erlaubnis einholen, einen Bildband Prases über das Frankfurter Bahnhofsviertel in Vorträgen ostdeutschen Fotografen vorstellen zu dürfen. Und Prase fragt nach: wer sind Sie eigentlich und der Ostdeutsche antwortet. Schnell entsteht ein näherer Kontakt, aus dem sich eine anhaltende Freundschaft entwickelt.

Einen großen Teil der Berichte über die deutsch-deutschen Kontakte, die übrigens von den Betreffenden selbst stammen, nehmen Kontakte der evangelischen Kirche ein. Da diese ja über all die Jahre der Trennung nur inoffiziell in einen ost- und einen westdeutschen Teil gespalten war, hieß es für deren Mitarbeiter stets mit der anderen Seite in Verbindung zu bleiben. Was nicht immer leicht, aber nie unmöglich war. Wie dies geschah, ist hier mehr oder weniger interessant beschrieben.

Das Buch „Brücken über die Mauer“ aus dem Schibri-Verlag ist nur ein unvollständiger Versuch erlebte Geschichte und Geschichten zu bewahren. Doch immerhin ist es einer.
Meiner Meinung viel zu selten unternommen, ein wichtiges Ergänzungsstück zur „offiziellen“ Geschichtsschreibung der Historiker.
Oral History, erzählte Geschichte, ist neben den, von den jeweils Herrschenden, ausgesuchten Lehrbüchern und Lehrfilmen der wichtigste Bestandteil der Geschichtsüberlieferung. Eine Fortsetzung dieses Versuches wäre wünschenswert.

Schibri-Verlag 2011, Hrsg. Hans Joachim Rieseberg und Dieter Winkler
Deutsch-deutsche Kontakte, Initiativen und Projekte von unten 
vor 1989 in Berlin
ISBN 978-3-86863-080-0
200 Seiten
22 Abbildungen
Ladenpreis 14,- Euro

(Shanghai Drenger)

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