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Theaterkritik

Theaterkritik vom 16.09.2011

Die Krönung der Poppea - Es ist schon fast so etwas wie eine Weimarer Tradition, Barockopern im e-werk aufzuführen. Als mittlerweile fünfte Oper dieser Epoche kam nun eines der großen Meisterwerke des Barock zu einer Neuinszenierung, die es in sich hat: „Die Krönung der Poppea“ von Claudio Monteverdi. Lange war sie verschollen und dann tauchten zwei verschiedene Versionen auf. In Weimar entscheidet man sich für die komprimierte zweieinhalb Stunden-Version. Schade eigentlich, denn auch bei der fast vierstündigen Fassung wäre sicherlich keine Langeweile aufgekommen. Denn die Souveränität, mit der sich alle Beteiligten der gleichermaßen schwierigen wie faszinierenden Monteverdi-Oper nähern, nötigt weit mehr als nur Respekt ab. Hier kann man nur voller Begeisterung höchstes Lob zollen.

Eigentlich müsste in unserer heute so politisch korrekten Zeit diese Oper der Gutmenschen-Zensur zum Opfer fallen, denn hier wird der böse Tyrann Nero von einer höchst menschlichen Seite gezeigt. Er ist verliebt in die verführerische Poppea und lässt nicht nur seine aktuelle Gattin Ottavia verbannen, sondern zwingt auch noch seinen Lehrer Seneca zum Selbstmord, weil dieser moralische Bedenken gegen den Ehebruch äußert. Pfui. Daumen runter. Für solches Verhalten kann man eigentlich nur noch das gesamte Arsenal der Empörungsrituale auffahren. Aber das macht zum Glück weder Monteverdi noch die Weimarer Inszenierung von Cordula Däuper. Sie belässt es bei einer süffisanten Textmitteilung zum Schluss, dass Poppea - hochschwanger - drei Jahre nach der Hochzeit mit Nero starb. Der Tyrann hatte sie heftig getreten.

All das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es bei Nero und Poppea mit einem der leidenschaftlichsten Liebespaare der Opernwelt zu tun haben – auch dann, wenn man weiß, dass beide falsch spielen. Denn auch Poppea will in erster Linie nur den gesellschaftlichen Aufstieg und verlässt deswegen ihren Mann Otto. Der wiederum einst Drusilla wegen Poppea verschmähte. Alle sind Täter – selbst die Amme verfolgt höchst egoistische Ziele - und doch dürfen wir ihnen nicht zürnen, denn sie sind von rasender Leidenschaft besessen. Nur Seneca als rationaler Philosoph steht über den Dingen, hat sich nichts zu Schulden kommen lassen und dennoch haben wir kein Mitleid mit ihm, als er in der Badewanne sich die Pulsadern aufschneidet. Verkehrte Welt, aber nie war es so wohltuend, sich von den Errungenschaften der Aufklärung zu befreien wie beim Erleben dieser Oper.

Dazu trägt auch bei, dass sich Cordula Däuper eine Menge von origineller Ideen hat einfallen lassen: Die Göttin der Tugend sitzt auf einen Tennisschiedsrichterstuhl und tippt quasi in Echtzeit die Story in ihr Notebook, die Göttin der Tugend strickt am Regenbogenschal und wirft vergeblich mit ihrem Wollknäuel auf die amoralisch Liebenden und die Göttin der Liebe ist gleich doppelt vertreten: durch zwei schelmische Engel, die aus Raffaels „Sixtinischer Madonna“ entsprungen zu sein scheinen.

Es ist schwer, die Leistung eines Einzelnen hervorheben zu wollen, zu souverän, ja zu überragend agiert das gesamte Ensemble. Filigran und kraftvoll zugleich ist der ausdrucksstarke Gesang der Solisten. Präzise und perfekt ausbalanciert agiert das kleine Orchester unter der Leitung von Felix Bender. Auf diversen Bühnen Thüringens hat man es schon mit barockem Opernstoff probiert, aber nur im Weimarer e-werk erleben wir dieses Genre in solch einer begeisternden Vollendung. Bravo! Bravissimo!

Die Krönung der Poppea (Claudio Monteverdi)
Regie: Cordula Däuper
Premiere: 04.09.2011, Weimar, DNT, e-werk

(Oliver Kröning)

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