Hörbuchrezension
Hörbuchrezension vom 20.09.2011
"Im Winter ein Jahr" von Karoline Link - Claudia Stelzig:
Seit einigen Jahren erfreuen sich so genannte Film-Hörspiele immer größerer Beliebtheit. Ausgewählte Ausschnitte einer Filmtonspur werden aneinandergereiht und verkettet durch eine Erzählerstimme. Die Billigvariante eines Hörspiels, sagen die einen, die anderen belassen es beim Begriff Merchandising. Wie auch immer, Geschichten werden trotzdem dabei erzählt und Shanghai Drenger hat sich heute das Hörspiel zum Film „Im Winter ein Jahr“ von Caroline Link angehört.
Billighörspiel oder Merchandise? Zu welcher Fraktion gehörst du?
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Shanghai Drenger:
Also wohl eher zu der ersteren. Wobei der Merchandise-Gedanke dann natürlich immer mitschwingt, keine Frage. Aber ich glaube, man kann es nicht ganz so einfach gestrickt sehen. Wir haben es zumindest mit einer erzählten Geschichte zu tun, du hast das ja bereits gesagt, und somit stehen wir dann auch vor einem Kunstprodukt. Filmhörspiel oder nicht, die Frage ist, ist es gut gemacht, kann man sich das anhören und versteht man die Geschichte?
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Claudia Stelzig:
„Im Winter ein Jahr“ ist der Titel des Hörspieles von Caroline Link. Welche Antwort hast du auf die Fragen, die du eben aufgeworfen hast?
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Shanghai Drenger:
Ich kann jetzt sagen: ja, ja und ja – aber mit leichten Einschränkungen. Also, wenn ich das Ganze so höre, der Film ist offenbar gut gemacht, ich hab ihn nicht gesehen, das Hörspiel profitiert davon, denn die Dialoge sind anschaulich genug, um ein Bild, um Bilder zu verursachen. Die Dialoge haben aber mitunter Längen, die grad so an der Grenze des Zumutbaren liegen. Also, es wird nicht zu viel miteinander geredet, aber es gibt in den Gesprächen Atempausen, in denen man fast das Gefühl hat, die CD hängt jetzt fest. Also, hart an der Grenze. Für den Film wahrscheinlich dramaturgisch sinnvoll, im Hörspiel eher problematisch.
Kann man sich das anhören? - Ja, kann man. Es ist eine dramatische Geschichte einer Familie, die mit dem so genannten Jagdunfall ihres fast erwachsenen Sohnes und Bruders einen herben Verlust erlitten hat. Die Mutter leidet darunter, der ehrgeiziger Vater, der seinen Sohn schon als berühmten Skisportler gesehen hat und die Schwester, die ein scheinbar inniges Verhältnis zu ihm hatte. Alle haben damit etwas verloren und, was die Sache brisant macht, ich sagte, so genannter Jagdunfall, es war schlicht Suizid, und jetzt haben irgendwie alle ein schlechtes Gewissen. So. Dann kommt der ganze Familienklamauk oben drauf: Mutter und Vater haben sich eigentlich schon längst auseinander gelebt, die Tochter ist in jedem Fall gegen die Eltern, aber keiner sagt das ganz offen.
Und die ganze Geschichte wird nun nach außen getragen durch den Wunsch der Mutter, von einem berühmten Maler ein Doppelporträt der beiden jugendlichen Kinder anfertigen zu lassen. Der Tochter Lilly gefällt das anfangs gar nicht, sie steht ja in Opposition zur Mutter, doch nach einer Weile freundet sie sich mit dem Maler an und es gibt so eine leichte Wende in der ganzen Sache.
Und jetzt kommt eine Sache, die mir beim Hören nicht so richtig klar geworden ist, der Maler hat ebenfalls einen Freund verloren, wird erzählt, aber so richtig deutlich, wer das nun ist, wird’s nicht. Ich hab da im Nachhinein so eine Spekulation, aber das lassen wir mal offen an dieser Stelle. Das kann man sich gerne auch selbst anhören.
Claudia Stelzig:
Filmhörspiel, Shanghai, das schließt jetzt aber auch bekanntes Personal ein, oder?
…
Shanghai Drenger:
So siehts aus. Also, wir hören in dieser Geschichte als Karoline Herfurth als Tochter Lilly, Hanns Zischler als den ehrgeizigen, fordernden Vater, Corinna Harfouch als etwas distanzierte, trauernde Mutter und, ganz wichtig, Josef Bierbichler als den verständnisvollen Maler und in gewisser Weise auch Vaterersatz für Lilly. Nicht zu vergessen Barbara Nüsse als Erzählerin.
Ich find, die Rollen sind ganz passend besetzt, man kennt die Stimmen, die Schauspieler als ebensolche Charaktere und von daher passt das alles ganz gut zusammen.
Also, ich denke, um nochmal drauf zurück zu kommen, hier ist ein bischen mehr geglückt als Merchandise für einen Film, es ist tatsächlich ein hörbares Kunstprodukt. Ohne die Voraussetzung den Film zu kennen, funktioniert die Geschichte. Bingo!
Und mal ganz ehrlich, wer kauft sich denn das Hörbuch zum Film als Andenken? Also, wenn ich einen Film gut finde, dann hole ich mir irgendwie die DVD, um den Film nochmal zu sehen, aber doch kein Hörbuch bitteschön.
Erschienen ist das Hörspiel im GoyaLit-Verlag. Die Sprecher sind Corinna Harfouch, Josef Bierbichler, Hanns Zischler, Karoline Herfurth und einige andere.
2 CDs
ISBN 978-3-8337-2289-9 • € 9,99
(Shanghai Drenger)