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Theaterkritik

Theaterkritik vom 23.09.2011

Der Prinz von Homburg - Leere Bühne, die spitz in den Zuschauerraum hineinragt: schachbrettartig, wenngleich alle Felder schwarz sind. Genauso schwarz wie die Kleidung sämtlicher sieben Schauspieler. Nur die etlichen Papierblätter, die der verwirrte Prinz von Homburg in Extase vollschreibt, bilden einen weißen Kontrast. Mittig steht der Prinz, mal sitzt er, stets wundersam entrückt, verkörpert von Nico Delpy. Er träumt von der schönen Prinzessin Natalie, energisch gespielt von dem neuen Ensemblemitglied Caroline Dietrich, und kriegt so den Befehl des Kurfürsten nicht richtig mit. Er handelt eigenmächtig, gewinnt damit sogar die Schlacht von Fehrbellin und wird kurzzeitig gefeiert. Bis der Kurfürst – machohaft dargestellt von Johannes Schmidt - ihn verhaften und zum Tode verurteilen lässt. Unbedingte Disziplin ist in Preußen wichtiger als der Sieg. Halbkreisartig umringen sämtliche Akteure den Prinzen von Homburg. Schach! Er muss seinen Degen abgeben, der in der Weimarer Inszenierung nicht vorhanden ist. Alternative: Abgabe der Oberkleider. Nun sitzt er in weißer Unterwäsche und verkörpert so den armen Tropf. Vielleicht hat Delpy ja eine Degenallergie, denn schon in seiner ersten Weimarer Rolle als Tasso 2007 waren keine Degen vorhanden, sondern nur ein Schwert, dass er sich mit seinem Duellanten albern hin und herwarf.

Trotzdem funktioniert das Farbenspiel in der Homburg-Inszenierung von Lisa Nielebock. Dazu trägt auch bei, dass dem anfänglichen Schwarz-Weiß-Kontrast auch Grautöne und ein bisschen Dunkellila beigemischt werden und dezente Lichtänderungen Szenenwechsel subtil untermalen. Ein höchst angenehmes Detail, wenn man sich an manche Holzhammerinszenierungen erinnert. Manchmal wirkt das Spiel zwar etwas zu statisch und warum die hysterische Überdrehtheit des Prinzen offenbar auf die anderen Akteure abfärbt und sie zeitweise zu albernem Herumgekichere verleitet, erscheint wenig schlüssig. Dies trübt den Gesamteindruck jedoch nur unwesentlich. Die durchweg engagierten Schauspieler verkörpern sämtliche Rollen in glaubwürdiger Weise.

Insgesamt haben wir es mit einer Inszenierung zu tun, die durch ihren unspektakulären Grundtenor überzeugt. Das Schwierige am Prinzen von Homburg ist, dass er psychologisch gesehen ein höchst komplexer Fall ist. Dass Lisa Nielebock trotzdem drauf verzichtet, diese Figur quasi freudianisch aufzuladen, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Bei der Annäherung an die Charaktere von Kleist muss man in der Tat Entwicklungen, die nach ihm entstanden, radikal ausblenden, um Kleist und seine Figuren verstehen zu können. Dass Auszüge aus Kleists Briefen an seine Selbstmordpartnerin aus dem Off gelesen werden, wäre zum Verständnis nicht unbedingt nötig gewesen. Unpassend ist es aber auch nicht. Somit haben wir eine sehr solide Inszenierung vorliegen, die dem Autor gerecht wird und deswegen Freude bereitet.

Der Prinz von Homburg (Heinrich von Kleist)
Regie: Lisa Nielebock
Premiere: 17.09.2011, Weimar, DNT, Großes Haus

(Oliver Kröning)

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