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Theaterkritik

Theaterkritik vom 04.10.2011

Der Tod in Venedig - Stille. Lange Zeit Stille am Anfang, dann schreit Aschenbach jäh auf und erschreckt so manche Zuschauerin. So beginnt „Der Tod in Venedig“ nach Thomas Mann in der Inszenierung am Erfurter Waidspeichertheater. Und dann erzählt der aus zwei Frauen und einem Mann bestehende griechische Chor weite Teile der Novelle. Gespielt wird wenig, eher wird ein quasi impressionistisches Gemälde gezeichnet. Blauer Himmel, irgendwie zerfließend, ein gelbes Boot, mit dem Aschenbach in die Lagunenstadt übersetzt, denn Venedig muss man sich von der Meerseite nähern, sagt das Alter Ego Thomas Manns.

Mit Licht, aber auch mit Gestik und Mimik der Schauspieler wird durchaus ein stimmiges Grundmotiv entwickelt, aber Puppentheater, das man eigentlich im Waidspeicher vermutet? Das wird nur sehr spärlich eingesetzt und zwar ausschließlich die homoerotischen Fantasien Aschenbachs betreffend. Er ist unwiderstehlich angezogen von einem polnischen Knaben, der sich am Strand und im Hotel seinen Blicken zeigt: Tadzio. Und nur dieser Tadzio ist als Puppe dargestellt: mal nur als Kopf mit schönen blonden Locken, mal zusammen mit den Armen, mal als Torso, selten komplett als ganzer Körper. Und dann sogar als doppelter Unterleib, um die unterdrückte Homosexualität von Erzähler und Autor dick zu unterstreichen. Sehr fragmentiert wird der jugendliche Pole gezeichnet, um die inneren Kämpfe des verklemmten Deutschen darzustellen. Und es funktioniert sogar. Die typisch Thomas Mannsche Zerrissenheit ist mit Händen spürbar. Überaus deutlich, vielleicht sogar zu deutlich, denn etwas subtiler hätte es durchaus sein dürfen.

Schade, dass der Puppenspielanteil bei kaum mehr als 10% des Gesamtstückes liegt. Verfolgt man die Waidspeicher-Inszenierungen für Erwachsene in den letzten Jahren, sinkt dieser Anteil scheinbar kontinuierlich. Bedauerlich, denn das Puppenspiel ist ja das, was das Waidspeichertheater ausmacht.

Und plötzlich nach einer guten Stunde ist schon Schluss. Aschenbach stirbt nicht. Man kann es nur ahnen, dass es ihn bald treffen wird, denn die Cholera ist auf dem Weg nach Venedig. Nach dem Schrecken am Anfang, ist das Publikum nun irritiert über das plötzliche Ende. Alle denken, dass da noch was kommen wird. Lange dauert es, bis der Applaus einsetzt. Einige starke Bilder dieser melodramatisch aufgeladenen Inszenierung wird man sicherlich nicht so schnell vergessen.

Der Tod in Venedig (Thomas Mann)
Regie: Christian Georg Fuchs
Premiere: 30.09.2011, Erfurt, Waidspeichertheater

(Oliver Kröning)

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