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Theaterkritik

Theaterkritik vom 12.12.2011

La traviata - Machen wir es eben mal wieder ein bisschen anders in Weimar. Kleiner Paradigmenwechsel gefällig auf der Großen Bühne des Nationaltheaters? Gerne. Man nehme eine populäre Oper und drehen etwas an der Grobjustierung herum. Allgemein wird Giuseppe Verdis „La traviata“ als Gesellschaftsdrama begriffen. Eine Edelhure, bereits schwer erkrankt an Tuberkulose, lernt kurz vor ihrem Tod doch noch die wahre Liebe kennen und opfert sich dann selbstlos, um den Familienfrieden des Geliebten nicht zu gefährden. Verlogene bürgerliche Moral, die angeprangert werden soll? Nicht so in Weimar. Operndirektor Karsten Wiegand inszeniert auch die zweite Premiere der Saison und stellt das religiöse Motiv von Verdis Oper eindeutig in den Vordergrund. In der Tat: die vom Wege Abgekommene hat nur noch wenig mit der Kameliendame gemein.

Erster Akt: Riesiger violett gestrichener Festsaal. Klar, die Protagonistin heißt ja Violetta bei Verdi und violett ist auch die Farbe der Bußzeit im Christentum. Beherrscht wird der Raum von einem riesigen Spiegel mit Strahlenkranz herum. Wie in einem mittelalterlichen Monumentalgemälde. Dabei geht der Kelch um, aus dem zwölf Partygäste trinken. Wer der Judas ist, bleibt offen; klar ist nur: hier wird die Edelhure als Jesus stilisiert, die für unsere Sünden sterben muss.

Noch steht der Tod nicht unmittelbar bevor. Den zweiten Akt erleben wir in einer paradiesischen Idylle mit Schafen, in der es sich Violetta und Alfredo gut gehen lassen. Aber die vielen Äpfel auf dem Boden zeigen klar, dass das Essen vom Baum der Erkenntnis unumkehrbar ist. Da nützt es auch nichts, dass Alfredo voller Wut ein paar Äpfel zerstampft. Und dann kommt Alfredos Vater quasi gottgleich, der die Vertreibung aus dem Paradies bewirkt: er verlangt die Selbstaufopferung von Violetta und zieht sie dabei auf einem Karussellpferd sitzend hin und her. Ein bisschen Via Dolorosa, aber auch ein eindrucksvoller Kontrast zwischen einem erwachsenen Mann der Tat und der kindlich von Liebe Träumenden.

Ihre letzten Worte singt Violetta zwischen Bühne und Orchestergraben in eine Videokamera hinein. Ihr Bild wird überlebensgroß an die Bühnenwand geworfen und plötzlich ist das Band zu Ende. Keine Bewegung mehr. Eine starke Todessymbolik. Und wenn wir Fernsehen als heutigen Gott begreifen, sogar ein weiteres religiöses Motiv.

Mit wenigen Bildern gelingt es Wiegand, eine Neuinterpretation von „La traviata“ zu zeichnen, die gewöhnungsbedürftig, aber durchaus akzeptabel ist. Insgesamt fällt die Inszenierung recht sparsam aus und das ist auf jeden Fall gut so, denn so bleibt der Musik genug Raum, eigene Akzente zu setzen.

Stürmisch gefeiert wurde die etwas erkrankte Kerstin Avemo als Violetta, die dank zweier Pausen bis zum Ende durchhielt und auf sehr innige Weise glaubhaft wirkte. Da konnte der etwas brav agierende Szabolcs Brickner als Alfredo nicht immer mithalten. Geradezu gebieterisch Riccardo Lombardi als Alfredos Vater, der mit seiner Souveränität entscheidenen Anteil daran hat, dass Wiegands Paradigmenwechsel die nötige Glaubwürdigkeit erlangt.

La traviata (Giuseppe Verdi)
Regie: Karsten Wiegand
Premiere: 10.12.2011, Weimar, DNT, Großes Haus

(Oliver Kröning)

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