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Kommentar

Kommentar vom 24.09.2004

Blendende Selbstdarstellung - Nein, Nike Wagner hat das Kunstfest nicht erfunden. Das Festival fußt faktisch auf dreizehnjähriger Kontinuität. Es war immer umstritten, intelligent, auf keinen Fall selbstgenügsam und den Einheimischen nie egal. Es gab anspruchsvolle und flache Veranstaltungen, diffuse und
klare Konzepte sowie zaghafte aber innerlich überzeugte Einbindungen lokaler Wurzeln, Belange und Dienstleister.
Nike Wagner hat trotz dieser Vorgeschichte im Selbstauftrag eine Tabula-Rasa-Position geschaffen. Das wäre ihr gutes Recht, wenn diese Haltung zu überzeugenden Ergebnissen geführt hätte, und sie ausschließlich mit Privatgeldern operierte. Doch da sie vom öffentlichen Topf mit fast 2 Millionen Euro ausgestattet wurde, kann
der hiesige Steuerzahler durchaus verlangen, dass diese Summe effizient und rücksichtsvoll ausgegeben wird.
Nike Wagner hat unserer Stadt eine elitäre Kunstfestversion beschert, und sie ist gescheitert. Auch wenn jubelnde Feuilletonäre es nicht so ganz wahrhaben wollen: hier hat sich eine Intendantin an Weimar
vorbeiinszeniert, den stattlichen Etat verschleudert und eine vielseitige Tradition in die programmatische Enge geführt. Das ist umso ärgerlicher wenn man bedenkt, wie knauserig es hier um die lokale Kulturförderung bestellt ist.
Unbestritten ist: es hat auch in diesem Jahr hochwertige
Veranstaltungen gegeben, wobei diese sich vorrangig im musikalischen Bereich ansiedelten. Es ist allerdings keine Managerleistung, für viel Geld große Namen in etablierte Räume zu holen, und damit ein überregionales Publikum anzuziehen. Und: es ist nicht spannend. Statt
beispielsweise für fast ein Fünftel des Gesamtetats den Starmusiker András Schiff verhandlungslos zu verpflichten, hätte man in China, wo Weimar bekanntlicherweise seine Beziehungen intensiviert, in der
Pianistenszene genauso qualitätsvoll fündig werden können. Stattdessen wurde finanzintensiv auf bewährten Ruhm gesetzt, ohne dass sich der Klavierstar konzeptionell in irgendeiner Weise dem namensgebenden Motto Lizst?s verpflichtet gefühlt hätte.
Unbestritten: Nike Wagner weiß sich zu inszenieren, der überregionale Kulturblätterwald pflegt die Verbindungen, denn Bayreuth ist so fern nicht. Die mediale Präsenz war beeindruckend, doch eher der Person denn der Programmatik geschuldet. Während sich die Wagner-Nachfahrin als
unerschrockener neuer Besen in kleinstädtischer Sonderheit stilisierte, beäugten die meisten Weimarer kopfschüttelnd den narzisstischen Nike-Sockel. Denn beratungsresistent und autokratisch regierend hat sie
lokale Potenzen und Räumlichkeiten verschenkt, ohne neue Impulse zuzulassen oder zu bieten.
Letztlich sind die Einheimischen den ?pelèrinages? mehrheitlich ferngeblieben. Vielleicht hat das Kunstfest-Team sie nachhaltig mit dem lieblos und unprofessionell organisierten Auftakt verschreckt.
Sollte man den öffentlich präsentierten Besucherzahlen Glauben schenken, und es gibt berechtigten Anlass dies nicht zu tun, wäre jede der 13 000 verkauften Karten mit ca. 200 Euro subventioniert worden.
Und da stellt sich schon zwingend die Frage nach der
Verhältnismäßigkeit. In solch angespannter Haushaltssituation kann sich Weimar und Thüringen solcherart elitäre Fokussierung samt dem Ruch der
Vetternwirtschaft nicht leisten. Und wenn die externen Musikgourmets in Weimar ihre Kultur etablieren wollen, dann sollten sie diese auch selbst bezahlen.
In die Tradition Weimarer Verschleierungstaktiken (siehe auch Ursachenforschung Bibliotheksbrand) hat sich Nike Wagner allerdings spätestens seit ihrer Kunstfestbilanz problemlos und kreativ eingefügt. Sie präsentiert der Öffentlichkeit frisierte Auslastungszahlen sowie
unsachliche Schuldenzuweisungen und lobt sich ironisch selbst, um eigenes Unvermögen zu kaschieren. Und das ist wiederum eine Tradition, die hier nicht heimisch werden sollte.
Ob sich in den nächsten zwei vertraglich festgeschriebenen Nike-Kunstfesten etwas ändern wird? András Schiff ist zumindest für diesen Zeitraum wiederum teuer erkauft.

(Matthias Huth)

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