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Kommentar

Kommentar vom 15.12.2004

"Die Aufgabe ist so groß..." - Rietschels 200. Geburtstag - Es sind wahrlich hohe Herren, die da auf dem Weimarer Theaterplatz stehen.
Drei Meter und 34 Zentimeter hoch, um genau zu sein. Und sie haben einen 2,59 Meter hohen Sockel unter sich:
Goethe und Schiller.
Kein Denkmal in deutschen Landen, das wirklich berühmter wäre als dieses Doppelstandbild.
Es ist das Symbol der deutschen Klassik, und es ist das Aushängeschild des kleinen Weimar.
Keine Tagesstunde vergeht, an der nicht mehrere Reisegruppen hier Station machen, und Individualreisende erst recht, um sich vor diesem Denkmal ablichten zu lassen.
Die Herren Goethe und Schiller verdienten einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde, für das wohl längste und ausdauerndste Fotoshooting der Welt.
So berühmt das Denkmal, so wenig geläufig ist der Name des Herren, der es schuf.
Dabei ist der Sachse Ernst Rietschel nun wirklich erste Liga unter den Bildhauern seiner Zeit.
Am 15. Dezember 1804 in Pulsnitz geboren, heute vor 200 Jahren also, wurde Dresden zum Zentrum seines Schaffens.
Hier hat er auch erstmals Goethe und Schiller öffentlich platziert, sitzend, links und rechts des Haupteinganges der Semperoper.
Aber erst das 1857 eingeweihte Weimarer Denkmal wurde zum sinnstiftenden Ereignis.
Zum unsinnstiftenden allerdings auch, denn die Nationalsozialisten fanden auch großen Gefallen daran...
Die 200. Wiederkehr von Ernst Rietschels Geburtstag hat nun 2004 zum Rietschel-Jahr gemacht, unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten.
Höhepunkt ist die im Herbst im Dresdener Albertinum eröffnete Werkschau, die erste seit einhundert Jahren.
Und Weimar? Hat einen Kranz abgeworfen.
Am 4. September, dem Tag der Einweihung, stand der Oberbürgermeister der Stadt vor dem Denkmal und verneigte sich pflichtschuldig.
Ende des Rietschel-Jahres, in Weimar.
Alle neun in das Feierjahr eingebundenen Städte sind auf der Homepage des Ernst-Rietschel-Kulturrings verzeichnet.
Ein Klick auf "Weimar" öffnet die Internetpräsentation der Kulturstadt Europas, und natürlich grüßt das Doppelstandbild von der Startseite, wie es ohnehin die überaus taugliche Gallionsfigur am Weimarer Vermarktungsschiff ist.
Gibt man nun aber den Namen "Rietschel" ins Suchfenster ein, so findet man genau einen Eintrag: Jörg Rietschel, Ortsbürgermeister von Tiefurt.
Weshalb ignoriert Weimar den Mann, der ihm zu seinem Markenzeichen verhalf?
Rietschel ist eine vorwiegend sächsische Angelegenheit, lautet die lapidare Erklärung aus dem Kulturamt. Aha. Also braucht sich die alte Residenz derer von Sachsen Weimar und Eisenach nicht weiter zu kümmern...
Vorbei all die freudige wie ärgerliche Erregung über das Denkmal, die bei dessen Schöpfer ihren Anfang nahm. Überwältigt im umfassenden Sinne war Rietschel, als anno 1852 der Auftrag an ihn erging, von Großherzog Carl Alexander.
"Welche Aufgabe!", schrieb der Professor aus Dresden.
"Das Herrlichste was dem Bildhauer unsrer Zeit gebothen seyn kann, aber auch der herrlichsten, der vollkommensten Lösung werth."
An anderer Stelle nannte er es "die schönste und schwerste Aufgabe für einen deutschen Bildhauer".
Und dann noch einmal: "Die Aufgabe ist so groß, so herrlich, dass ich jubeln und vor Zweifeln verzagen könnte."
Später geriet jedes Detail in die Diskussion.
Schillers lässig geknöpfte Weste sorgte für Aufruhr, ebenso das historisch genaue Zeitkleid der Dichter; antike Gewänder schienen manchem angemessener.
Nächstens ist Schillerjahr, da werden viele den Dichter wieder vom Sockel holen.
Nur bei Rietschel bleibt alles beim alten: sein Denkmal wird weiter fotografiert, sein Name bleibt uns ein Geheimnis.

(Michael Helbing)

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