Tonspur
Tonspur vom 21.05.2012
Wildcookie - Cookie Dough - Verdammt, ich muss gealtert sein! Woran ich das merke? Nun, ich höre ja schon immer gern Musik. Meine Eltern, vor denen ich bereits als Kleinkind Luftgitarre spielte, meinten damals immer, dass ich einmal ein großer Star werden würde. Nun, das ist sicher nicht passiert und wird wahrscheinlich auch nicht mehr passieren – was aber in meinem gesamten darauffolgenden Leben als zumindest akribischer Musikliebhaber in unumstößlicher Form stets feststand, droht in letzter Zeit mehr und mehr aufzuweichen. Was ich sagen will: Wenn ich eines auf den Tod nie ausstehen konnte, dann waren das Männer, die mit extrem hoher Stimme singen; Soul war für mich immer das Ticket zur Hölle und Saxophone Werkzeuge des Teufels. Umso verwunderlicher ist es da für mich und alle die mich besser kennen, dass ich in diesem Frühsommer schon das zweite Mal in Folge eine Platte in Endlosschleife auf meinem MP3-Player oder im Auto laufen habe, die all meine Musikregeln im hohen Bogen über Bord wirft. Es handelt sich um Wildcookies Debut- und bisher einziges Album „Cookie Dough“.
So außergewöhnlich die Musik und vor allem die Texte von Wildcookie sind, so außergewöhnlich ist auch die Zwei-Mann-Gruppe selbst. Denn hinter Wildcookie verbergen sich der Stockholmer DJ Freddie Cruger alias Red Astaire und der US-Amerikaner Anthony Mills. Beide lernten sich 2006 kennen und merkten schnell, dass sie sowohl musikalisch als auch persönlich gut miteinander können. Während Cruger bis dahin mit seinen DJ-Sets durch die Clubs der Welt tingelte, arbeitete Mills mit Musikgrößen wie Amy Winehouse, Leela James, KRS One oder Harry Belafonte zusammen – stand dabei aber – trotz unheimlicher Körpermaße – nur in deren Schatten und fristete das Dasein eines Backgroundsängers.
Auf Cookie Dough konnten sich Cruger und Mills nun mal so richtig austoben; und das taten sie ordentlich! Glaubt man den beiden, so musste Cruger nur einen Beat spielen und Mills hatte nach gut einer Stunde einen Song darauf komponiert. Nun hat es aber doch fünf Jahre gebraucht, bis die Platte im Februar 2011 erschien. Könner sind sie aber allemal. Was dies auch beweist, ist die Tatsache, dass Mills das Cover zu Cookie Dough selbst zeichnete und damit seinen Botschaften einen zusätzlich eigenen Ausdruck verleiht. Ebenfalls beeindruckend ist das Video zu „Heroine“. Wesentlich bleibt aber die Musik. Der Mix aus R´N´B, Soul, Breaks, dreckigen Bässen, die zeitweiligen Bossa Nova Riffs und besonders der Jazz und das Saxophon prägen sich direkt ein und lassen diverse Körperteile im Takt zucken – was bei mir bestimmt komisch aussieht, wenn ich mit offenem Fenster und lauter Musik Auto fahre. Aber das ist mir mittlerweile auch egal. Auch das andere Menschen dann mithören müssen, dass Mills ständig Zeilen wie „Cocaine is a serious Drug“ oder „Heroine made my favorite jazz“ singt – wenngleich der Drogenkontext in den Titeln stets ambivalent und damit mehrfach deutbar ist, nie belehrend aber auch nicht glorifizierend wirkt. Darüber hinaus schäme ich mich auch nicht, wenn die Titel zeitweise wie lateinamerikanische Fahrstuhlmusik klingen und dazu noch „Flashy Flashy“ oder „Touchy Touchy“ heißen. Und erstrecht schäme ich mich nicht, in einer Tonspur über all das zu berichten. Denn ich kann nun selbstbewusst sagen: Aus dem Alter bin ich raus! Und deshalb empfehle ich heute allen zum Erwachsenwerden: Hört Wildcookie!
Und damit beginne ich den Prozess. Denn hier kommen sie mit meinem derzeitigen Lieblingssaxophone-Sample und dem Titel „Something About Those Days“.
(Christian Faludi)