Neulich im Netzwerk
Neulich im Netzwerk vom 19.09.2012
Abenteuer Bundeswehr - Unsere Bundeswehr macht Werbung. Und zwar speziell für Jugendliche. Für ziemlich junge Jugendliche sogar. Nämlich in der BRAVO-online.
Popmusik, dazu schnell geschnittene Urlaubsbilder mit Bergidylle und strahlend weißem Strand - so wirbt die Bundeswehr in einem Videoclip für ihre "Adventure Camps". Mit einer "echten Bundeswehrmaschine" geht es für die Jugendlichen nach Sardinien, per Bahn in die Berge.
Dort warten "krasse Wasserwettkämpfe" und "schwindelerregend hohe Klippen" zum Abseilen. Ziel der fröhlich-bunten Kampagne ist es offenbar, dem Nachwuchs eine Karriere bei den Streitkräften schmackhaft zu machen.
Für Kinder-Rechtsexperten ist das absolut inakzeptabel. Schlimm genug, dass es an deutschen Schulen keine Friedenserziehung gibt, dass keiner ernsthaft über die Gräuel eines Krieges aufklärt - jetzt richtet statt dessen die Bundeswehr ihr Augenmerk besonders auf Schüler.
Aufgrund eines Zusatzprotokolls zur Kinderrechtskonvention verpflichtet sich Deutschland, keine Minderjährigen für die Armee anzuwerben, wenn sie nicht mindestens 17 Jahre alt sind und "über die mit dem Militärdienst verbundenen Pflichten umfassend aufgeklärt" wurden.
Die Werbeaktionen dagegen suggerieren, dass es sich bei Bundeswehr-Einsätzen um Abenteuerausflüge handelt.
Und das ist längst nicht alles. Jugendoffiziere werden in Schulen eingesetzt, Ferienlager werden veranstaltet, in denen die Kinder Panzer fahren, durch einen Hochseilgarten klettern und am Feuer singen.
Und – ich habe noch mehr gefunden: Bereits zum sechsten Mal gab es in diesem Jahr die Bw-Olympix. Diesmal in den Trendsportarten Beachvolleyball, Beachhandball, Minisoccer und Streetball.
Daran können 16 und 17jährige teilnehmen. Dazu gibt’s Sportstars, Musik, Infotainment und Party. Die Gewinner der Olympix fahren jetzt nach Rom und Sardinien.
Natürlich bietet die Bundeswehr auch Schülerpraktika an. Und, auch beim Girls Day fehlt sie nicht. 7.600 Mädchen ab 12 Jahren konnten sich über die Ausbildungsmöglichkeiten als Soldat, aber auch als Arbeitnehmer in der zivilen Wehrverwaltung informieren und sich mit Soldatinnen über den Alltag in den Streitkräften austauschen.
Aber bitte keine Kriegsberichte. Dafür sind die Schülerinnen zu sensibel.
Man sieht auch in der Werbung keine toten oder verletzten Soldaten. Alle lächeln und tragen schicke, saubere Uniformen. Bundeswehr macht eben Spaß. Wie Beach-Handball.
Der Clip, der jetzt bei BRAVO- online läuft, ist wahrscheinlich der erste, der komplett ohne Bilder vom Bundeswehr-Einsatz auskommt.
Inzwischen wurden auch erste Karriere-beratungs-büros eröffnet, und die Truppe wirbt zunehmend mit Anzeigen in verschiedenen Medien. Können sie ja machen, aber sie sollen doch bitte die Kinder in Ruhe lassen.
Im Juli 2011 wurden zum ersten Mal Freiwillige eingezogen. 3.459 um genau zu sein. Allerdings hat jeder 4. davon den Dienst vorzeitig beendet.
Vielleicht ist ihnen nach all dem Spaß und der Action aus der Werbung etwas klar geworden:
Die Bundeswehr ist am Ende kein Abenteuer, sondern lebensgefährlich.
Quellen: BRAVO online, Spiegel-online, Pressestelle Bundeswehr
(Grit Hasselmann)