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Kommentar

Kommentar vom 06.05.2005

Fatales Geschenk - Die Weimarer Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus ist aus folgenden Gründen überflüssig geworden: Die Jung- und Altnazis haben ihrer Ideologie abgeschworen und sich in einem feierlichen Gelöbnis verpflichtet, nie wieder demonstrierend Weimarer Boden zu betreten. In Thüringer Kinderzimmern sind Hakenkreuze für immer verbannt, alle hier lebenden Ausländer gehen unbelästigt und unverprügelt durch die Städte. Geläuterte Deutschnationale verpflichten sich freiwillig zur Pflege der ehemaligen Konzentrationslager und erläutern den Besuchern ohne Leugnungen die Verbrechen des Naziregimes. Es gibt keine rechtsradikalen Parteien in deutschen Parlamenten und die bundesdeutsche Vergangenheitsaufarbeitung wird von der UNESCO als vorbildlich eingestuft. Der Verkauf von Nazireliquien auf diversen Flohmärkten interessiert nur noch Historiker zwecks musealer Verwendung, Hass-Drohungen im Web sind verschwunden, kein Hitlergruß wird gesichtet, keine national-befreite Zone festgesteckt.
Ende des Märchens.

Der von CDU und Weimarwerk erzwungene Stadtratsbeschluss, die Gelder für die Netzwerkstelle gegen Rechts umzuwidmen, ist eines der fatalsten Signale, die in den letzten Jahren gegeben wurden. Ob nun aus Profilierungssucht, persönlicher Befindlichkeit oder Machtstreben erwachsen: hier geht es eigentlich um die Entfernung eines unbequemen, intelligenten Streiters namens Fritz Burschel. Und diesem Zweck sind den beschluss-verantwortlichen Politikern alle Mittel recht. Den rechtsnationalen Totalitätern, welche die Demokratie vor sich hertreiben, und Weimars Erbe zu ihren Zwecken umdefinieren wollen, setzen einige lokale Machtvertreter blauäugige Visionen und instinktlose interne Kraftspiele entgegen, und verprellen damit jene, die sich aktiv gegen Demokratiebedrohung zur Wehr setzen.
In der Presse wird lanciert, dass Burschel ein linker Polarisierer sei. Ja, was wollen wir denn? Brauchen wir denn eher so ein stilles, stromlinienförmiges Weichei, welches sich durch parteipolitische Sonntagsreden instrumentalisieren lässt?
Wer Fritz Burschel bei den bunten Demonstrationen erlebt hat, und nicht aus kleinlichen Beweggründen ebenso demonstrativ bei diesen politischen Willensbekundungen ferngeblieben ist, der sollte eigentlich festgestellt haben, dass der kompakte Bayer eine gewichtige Bereicherung der Stadt darstellt. Humorvoll, bedacht und aktuell informiert, engagiert sowie mit einer überlebenswichtigen Portion Schlitzohrigkeit ausgestattet, ist er für mich der richtige Mann am richtigen Platz. Und wenn er mal poltern sollte, dann tut er das nicht aus Machtgründen, (wie beispielsweise ein spendenfreudiger Härtereivorsteher, der seine Parteischäfchen nicht in den Gremien sieht, die er sich vorstellt), sondern er tut es um der Sache willen. Wenn Weimars Streitkultur Burschel nicht aushält, dann ist sie keine. Und wenn man denn parteipolitisches Entsorgen billigen würde, dann gäbe es doch wohl eine Menge gutdotierter Kandidaten, die wegen Untätigkeit, Nachlässigkeit und Taktiererei auf ihren Posten entbehrlicher wären.
Sollte Fritz Burschel ein weiteres Weimarer Machtpoker-Opfer werden, wäre das ein Geschenk an die Rechten. Und das haben sie wirklich nicht verdient.

( Matthias Huth)

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