Tonspur
Tonspur vom 07.11.2012
Calexico: "Algiers" ( VÖ: 7.09.2012 ) - .
“ I’ve always loved New Orleans ! “
Das bekräftigte kürzlich John Convertino, der vor 22 Jahren genau dort auf Joey Burns traf, um mit ihm bei Giant Sand zusammen Musik zu machen – und später mit ihm die (zugebenermaßen) finanziell erfolgreichere Band Calexico gründete.
Und das ist auch so ziemlich exakt der Grund, weshalb das nunmehr 7te Album der im Desert-Rock eingeordneten Combo Calexico nicht im heimischen Tucson produziert wurde, sondern in dieser legendären Stadt am Missippi-Delta, in der - wie in keiner anderen Stadt der Welt - Musik so lebendig, farbenfroh und auch mystisch mit einer doch recht wechselhaften Geschichte verbunden ist.
Natürlich ist eine progressive Band irgendwie irgendwo immer auf der Jagd nach neuen musikalischen Perspektiven, was jedoch nicht ausschließt, sich an einem bestimmten Punkt in der Musiklaufbahn auf seine Wurzeln zu besinnen (natürlich nicht ohne das bis dahin Gelernte zu ignorieren) und damit stelle ich nun ebenjenes aktuelle, fast ganz neue Album von Calexico vor:
Der Titel Algiers mag evt. etwas in die Irre führen, denn der hat so gar nichts mit der algerischen Hauptstadt, dem arabischen Frühling oder dergleichen zu tun – nein: Algiers Point ist ein Stadtteil von New Orleans und dort befindet sich eine ehemalige Baptistenkirche, die (schau einer an) zum Tonstudio umgebaut, mit ihren meterhohen Decken offenbar nicht nur im ästhetischen Sinne beflügelt haben, was das Album auch definitiv durchscheinen lässt..
Damit komme ich nach ergiebiger Vorrede endlich zum Inhalt und ich sag es gleich vorneweg: ich habe diese Band sehr sehr lieb – schon sehr sehr lang; spätestens seit ihren Auftritten beim Tanz- und Folkfestival in Rudolstadt 2001 oder mehrfach eben in der Jenaer Kulturarena anno 2003 & 2007. Somit kann ich ob meiner großen Symphathie, die ich für diese Band hege, gar nicht wirklich objektiv sein.
Natürlich freut es mich persönlich, wenn auch Algiers ganz und gar unverkennbar das klassische Calexico-Gefühl verbreitet, denn kaum eine Band schafft es so gut, im TexMex-Style so herzzereissende Stücke zu fabrizieren, die selbst wenn sie manchmal ganz kurz am Kitsch vorbeischrammen, doch niemals aufgesetzt melancholisch, nie unnatürlich oder verkrampft, die verschiedenen Styles von 50s-Jazz, Fado, Roma-Mugge, Old-Surf und nicht zuletzt Indie-Rock zu einer immer wieder irgendwie lässigen Klangverbindung zaubern.
Ebenfalls wird dem geneigten Hörer schnell klar, dass die sechs Calexico-Köche mitnichten einfach nur ihre typische Style-Mix-Suppe nochmal neu aufkochen. Es wurde einfach bloß mal wieder perfektioniert, verfeinert sozusagen: das Piano ist verträumter, die Bläser schmelzen nur so dahin – geschmeidig wie nix tröpfeln gerade „The Vanishing Minds“ und „Puerto“ ins Ohr und bleiben dort hängen – gekrönt wird das ganze von einem hymnischen „Para“ - das man nicht zu oft hören sollte, denn Lieblingstitel sollten nicht inflationär behandelt werden.
Auch nicht unerwähnt bleiben sollte der angenehm düster-dunkle, auch inhaltlich starke Titel „Sinner in the Sea“ , der von einem einsamen Klavierspieler am Meeresboden berichtet...
Ich könnte jetzt noch weitere Hymnen auf die Hymnen singen, aber das würde ernsthaft langweilig werden – und das ist tatsächlich das einzige "Aber" von mir zu dieser großartigen Platte, die meines Erachtens auch für Calexico-Einsteiger bestens geeignet ist, sich mit diesen herrlich unkonventionellen, in jeder Musikschublade wildernden und dabei doch so unprätentiös daherkommenden Calexicaner zu beschäftigen:
Perfektionismus kann auch irgendwann anöden – in diesem Album wirklich nicht – das Achte sollte jedoch eine andere musikalische Spur aufnehmen (in welcher Form auch immer); Das aber überlasse ich den Musik-Zampanos von Calexico gern selbst, denn mein Zutrauen in deren Progressivität ist da ehrlich groß.
Vom Titel "Epic" noch etwas wehmütig angehaucht resümiere ich, daß mich die neue Calexico-Platte überzeugt hat. Tatsächlich liegt sie ganz oben auf meinem „Muss-ich grad-ganz-oft-hören-Stapel“...
By the Way und ganz zum Schluss: es ist nicht vordergründig nur der Spaghetti-Western-Sound in den vielen Titeln, der Lust macht, doch mal im Cabrio endlich die Route 66 entlang zu gurken, aber das ist eigentlich gar nicht nötig, denn Calexico funktioniert mit Sicherheit auch im Weimarer Umland auf diversen abgelegenen Landstrassen a lá Route Weimar – Kottenhain (oder so): ich versprech's!
Exkurs:
Übrigens: wer nun überlegt, sich die neue Scheibe von Calexico zuzulegen, kann sich doppelt freuen, da die Band in einer Deluxe-Edition noch eine zweite CD unter dem Titel „Spirituoso“ dazugepackt hat. Darauf sind 12 erlesene Live-Best-Of-Titel mit Synphonieorchester eingespielt in Potsdam und Wien im letzten Jahr.
Außerdem wird im neuen Jahr nicht nur ausgiebig durch Amerika getourt: ja, es wird augenblicklich in Europa musiziert und nächste Woche, am 16. November wäre Calexico tatsächlich auch in der Leipziger Kulturfabrik zu erleben..!
(Sophia Springer)