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Neulich im Netzwerk

Neulich im Netzwerk vom 07.11.2012

Zivilisation oder Müll für die Ohren - Wohin man auch kommt, überall gibt es heutzutage Geräusche. Kein Supermarkt ohne kauf-fördernde Musik, kein Auto ohne Radio, kein winziger Ort der Stille in der gesamten Stadt. Wenn ich auf dem Fußweg leise mit mir selber rede, höre ich das noch nicht mal, weil Verkehr, Klingeln, telefonierende Leute, überhaupt viele Stimmen immer lauter sind als ich selber. Und selbst, wenn es abends langsam ruhiger wird, gibt es da immer noch dieses „Grundrauschen“. Die einen sagen, das kommt von der Autobahn, andere behaupten, der Lärm des Tages lebt in meinem Unterbewusstsein weiter und erzeugt das Rauschen.
Schon 1910 prophezeite Robert_Koch: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen, wie die Cholera und die Pest“. Angriffspunkt des Lärms ist dabei nicht das Ohr, sondern die Störung des Haushalts von Stresshormonen, insbesondere Cortisol.
Schon Geräusche von 65 bis 75 dB bewirken im Körper Stress. Dieser kann zu hohem Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkt führen. Lärm kann auch für eine Verminderung der Magensekretbildung sorgen und Ursache von Magengeschwüren sein. Weitere Folgen durch Lärmeinwirkung sind:
Beeinträchtigung des Befindens, da Lärm als lästig, nervend oder störend empfunden wird, erhöhtes Unfallrisiko durch Verdecken von Warnsignalen, Verminderung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens.
Um also gesund zu bleiben, bin ich aufs Land gezogen. Funktioniert prima. Das ominöse „Grundrauschen“ gibt es dort nicht. Sicher, dafür Traktoren und Mähdrescher. Aber nur manchmal. Und im Nahkauf in Buttelstedt bleibe ich von schlechter Musik verschont. Und wenn der Nachbar sägt, gehe ich halt mit dem Hund spazieren, bis er fertig ist.
Und das Beste: es gibt auf dem Dorf keine Laubsauger oder Laubbläser. Diese Dinger haben mir in der Stadt immer den schönsten Herbst verdorben. Kaum fällt das erste Blatt, rüsten Hausmeister und Familienväter auf.
Es dröhnt, scheppert, saugt und bläst – um lästiges Laub von Beeten, Rasen und Wegen zu entfernen, greifen die richtigen Männer (und ich habe wirklich noch nie eine Frau damit arbeiten sehen) zu den Hightechgeräten. Kraftvoll und gründlich mit Luftgeschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometer entfernen Laubsauger und Laubbläser jedes Stückchen Herbstlaub bis in die letzten Ecken.
Das Wort Lärm stammt übrigens vom italienischen all'arme, „zu den Waffen!“, und ist mit „Alarm“ verwandt. Mitte des 19. Jahrhunderts definierte der deutsche Sprachforscher und Lexikograph Johann Christoph Adelung den Begriff Lärm als „lauten, beschwerlichen Schall“. Kurt Tucholsky notierte später einmal: „Lärm ist das Geräusch der anderen.“ Heute wird Lärm als „unerwünschter Schall“ definiert.
Auf dem Land wird das Laub zusammen geharkt und kompostiert. Oder die Haufen bleiben bis zum Frühjahr liegen. Was nicht nur sehr meditativ ist und hübsch aussieht, es gibt auch ein prima Winterquartier für allerlei Tiere ab.
Womit wir wieder bei den Laubsaugern wären. Diese Geräte entfernen nämlich nicht nur die Blätter, sie sind auch eine Gefahr für viele Kleintiere. Regenwürmer, Spinnen und Asseln mag nun sicher nicht jeder. Aber sie dienen Vögeln und anderen Tieren als Nahrung. ??Und - Laubsauger können sogar Frösche und Molche verschlingen. Verfügen diese über eine Häckselfunktion, werden die Tiere zerstückelt und zu Mus verarbeitet. Auch für Igel und ihre Jungen sind die Geräte lebensbedrohlich.
Wie stark uns Lärm belästigen kann, zeigt die Polizei: In New York benutzte sie bei Demonstrationen LRAD (Long Range Acoustic Devices).
Dabei wird der Angreifende mittels gerichteter Lautsprecher mit für Menschen unerträglichem Lärm beschallt. Dieser Lärm zeichnet sich durch ein speziell für Menschen sehr unangenehmes Frequenzspektrum und besonders großen Schalldruck aus.
Hat funktioniert. Bei mir reicht zum Vertreiben schon ein Laubbläser. In Weimar gibt es – gefühlt – 3000 davon. Bitte Männer. Seid stark. Setzt einen neuen Trend und nehmt den Besen. Geht übrigens auch schneller.

(Grit Hasselmann)

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