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Kommentar

Kommentar vom 29.11.2005

Einer der Letzten der alten Garde - Franz Schönhuber ist tot.
Eine der wichtigsten Figuren der extremen Rechten in Deutschland ist damit weg.
Gleichzeitig stirbt mit ihm langsam die Garde der alten Nazis aus, die den Zweiten Weltkrieg nicht nur erlebt haben, sondern für die die Waffenröcke der mehr oder minder verbrecherischen NS-Armeen noch ein Ehrenkleid waren.
Er, Schönhuber, steht gleichzeitig für die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen der viel gepriesenen Mitte der Gesellschaft und ihrem farbechten braunen Rand.

Der Metzgerssohn aus Trostberg in Oberbayern hatte viel gemein mit dem einstigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, der auch als Metzgerssohn aufwuchs. Beide haben politisch prägende Phasen ihres Lebens in Organisationen Hitlerdeutschlands erlebt, der eine als Offizier der Wehrmacht und Mitglied des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK), der andere in der Waffen-SS. Für beide haben diese Erlebnisse keine Distanzierung nach sich gezogen, im Gegenteil, sie haben durch diese, trotz und mit dieser Prägung Karrieren in Nachkriegs-Westdeutschland gemacht. Der eine als Politiker, der andere als Journalist, beide als „stockschwarze“ Mitglieder der christlichen Einheitspartei Bayerns, der CSU. Schönhuber gehörte zum Freundeskreis um FJS und stieg bis zum stellvertretenden Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks auf. Berühmt wurde beim BR seine Sendung „Jetzt red i“.

Schönhuber hat nur den Fehler gemacht, das offen auszusprechen, was alle anderen nur im kleinen Kreis beim Bier oder in der Familie immer und immer wieder erzählten oder für sich behielten. Er bekannte sich unter dem Titel „Ich war dabei“ zur Waffen-SS, welche er gegen den Vorwurf, eine verbrecherische Organisation in Hitlers Vernichtungsplänen gewesen zu sein, in Schutz nahm. Er machte aus dem Zweiten Weltkrieg in seinen Kriegserinnerungen eine Schule der Ritterlichkeit und eine Riesen-Gaudi mit Erlebnis-Urlaub-Charakter.

Er flog aus dem BR raus und gründete mit zwei anderen CSU-Abtrünnigen die Partei „Die Republikaner“. Die schwarzbraune, völkisch-nationalistische Partei achtete jedoch meist darauf, sich von den Radau-Nazis in der NPD und von Gerhard Freys „Deutscher Volksunion“ (DVU) abzugrenzen und sich den Anstrich der „anständigen Deutschen“ zu geben, die einfach nur das offen aussprechen, was sich andere nicht zu sagen trauen. „Mit dieser Mischung aus nationalistischem Pathos, apologetischer Geschichtsklitterung, ausländerfeindlichem Ressentiment und kleinbürgerlichem Sicherheitsdenken“ – wie es in einem Buch heißt – , vermochte der redegewandte Medienprofi Schönhuber die neue Partei zu ersten Erfolgen Ende der 1980-er Jahre zu führen: Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Europawahlen im Jahr 1989 erzielen die „Republikaner“ jeweils über 7 Prozent der Stimmen.

Danach ging es abwärts mit den Reps: zunächst warf Schönhuber alle Widersacher aus der Partei, 1994 flog er selber hinaus. Letzter spektakulärer Erfolg war auf dem Höhepunkt der Asyldebatte und zu Zeiten brennender Asylbewerberheime 1992 ein 11-Prozent-Ergebnis bei den Baden-Württembergischen Landtagswahlen, wo die Reps drittstärkste Partei wurden. Eine Emnid-Umfrage aus dieser Zeit ergibt eine bundesweit 11-prozentige Zustimmung für die „Ausländerpolitik“ der Reps.

Seither sind die Reps zerrissen und marginalisiert. Wie Schönhuber als Einzelkämpfer schwanken sie zwischen halbherzigen Allianzen mit den anderen rechtsextremen Parteien NPD und DVU und einem Abgrenzungsreflex von eben diesen.

Nur die Erfolge der NPD u. a. in Sachsen führten die sonst autistischen Führungsfiguren des deutschen Rechtsextremismus noch einmal zusammen. Am 13. Februar 2005 versammelten sich auf der NPD-Bühne vor dem Sächsischen Landtag vor rund 8000 Anhängern ein letztes Mal die unbelehrbaren Gespenster der alten Garde von Ewiggestrigen: neben Franz Schönhuber waren dort der Millionen schwere greise DVU-Despot Gerhard Frey und der pathologische Holocaust-Leugner Günther Deckert zu sehen. Auf dieser Bühne vollzog sich an jenem denkwürdigen Tag eine Art Generationswechsel: der Staffelstab des völkischen Nationalismus ging über an eine neue, um die militanten Kräfte der freien Neonazi-Kameradschafts-Szene verstärkte Kaderpartei NPD mit dem Bundesvorsitzenden Udo Voigt und dem sächsischen Fraktionschef Holger Apfel.

Die rechtsextreme Bewegung Deutschlands ehrte Franz Schönhuber noch mit einer Spitzenkandidatur für die NPD im Dresdener Nachzügler-Wahlkreis.
Jetzt ist Schönhuber 82-jährig gestorben.
Der Teufel soll ihn holen.

(Fritz Burschel)

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