Neulich im Netzwerk
Neulich im Netzwerk vom 26.03.2013
Geklautes Ostern - Ostern ist schon ein komisches Fest. Unabhängig von allen Religionen kann man es feiern oder total ignorieren. Mit Weihnachten ist das schon schwieriger. Aber auch Leute, die sich keineswegs als Christen betrachten, lieben Ostern. Aber warum? Weil es so schöne Osterbräuche gibt? Wegen der Kinder? Weil jeder Eier mag? Und Schokolade? Oder, weil man so schön die heidnischen Wurzeln des Festes betonen kann? Dabei ist noch nicht einmal klar, wo die eigentlich liegen. Also – die Wurzeln. Aber es gibt tatsächlich heidnische Bräuche, die Ostern gefeiert wurden, bevor es Christen gab. Keine Ahnung. Sicher ist, dass viele vor- und außerchristliche Religionen die Sonne verehren als Licht- und Lebensspenderin. Sie feiern deshalb Frühlingsfeste wie das iranische Nouruz. Auch einige heutige Osterbräuche werden auf germanische und keltische Sonnenkulte zurückgeführt: etwa die Osterfeuer und das sorbische Osterreiten. Neuheiden feiern Ostern als Ostara-Fest nach einer angeblich altgermanischen Göttin Ostara, als deren Symbole sie Osterei und Osterhase angeben. Diese Fruchtbarkeitssymbole sind als Osterbräuche im deutschen Sprachraum jedoch erst seit dem 17. Jahrhundert belegt. Ein Hase als Ostersymbol ist in Quellen aus Südosteuropa seit der Spätantike bekannt. Wo er allerdings herkommt, ist unklar. In deutschsprachigen Ländern und den Niederlanden suchen die Kinder bunt bemalte Hühnereier und Süßigkeiten, die vom „Osterhasen“ versteckt wurden. Es gibt auch den Brauch, Zweige in Vasen oder auf Bäumen im Garten mit bunt bemalten Ostereiern zu schmücken. Als Ostergebäck gibt es einen Kuchen in Hasen- oder Lammform. Bräuche zum Osterei gibt es hunderte. Je nachdem, wo man aufgewachsen ist. In Zeiten des Weniger-Sesshaft-Seins vermischen sie sich und sind nicht mehr so klar zuzuordnen. Der im Deutschen gebräuchliche Name Ostern ist altgermanischen Ursprungs und hängt wohl mit der Morgenröte und der Himmelsrichtung „Osten“ zusammen. Und siehe da, auch im Christentum gilt der Ort der aufgehenden Sonne als starkes Symbol. Das haben die Kirchen ja schon immer gern gemacht: alte Feiertage und Orte mit christlichen Inhalten besetzt. In diesem Fall, wir sind ja noch bei den Osterbräuchen, geht’s um die Auferstehung. Die letzte Woche vor Ostersonntag, die Karwoche, beginnt mit dem Palmsonntag, an dem die Christen den Einzug Jesu in Jerusalem feiern. Am Gründonnerstag feiert das Christentum dann das letzte Abendmahl. Am folgenden Karfreitag wird Jesus Todes am Kreuz gedacht, am Karsamstag ist Grabesruhe, und am dritten Tag, dem Ostersonntag, wird schließlich die Auferweckung Jesu von den Toten gefeiert. Ziemlich viel Tod für so ein fröhliches, buntes Fest. Ostern fällt immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond. Und auch da sind wir wieder bei den alten Festen. Der erste volle Mond im Frühjahr wurde schon seit Menschengedenken gefeiert. Und egal, ob unsere Vorfahren unwissend waren oder aufgeklärt, ob die Wissenschaft immer mehr Natur-Phänomene erklärt, eins ist sicher: die Menschen brauchen Mystik. Für den einen sind es Fantasy-Romane, für die anderen X-Files, wieder andere geben Geld für Handlesen oder Kartenlegen aus. Und dann gibt es noch die, die glauben, dass ein gefolterter und gekreuzigter Mann nach ein paar Tagen aus seinem Grab verschwindet. Na und? Solange jeder dem anderen seinen Glauben lässt, seine Mystik, seine Rituale niemanden angreifen, kann auch jeder glauben, was er will. Ich glaube, dass die Realität niemandem genügt. Jeder Mensch braucht ein bisschen Unerklärliches. Das war schon so, als die Brüder Grimm in den Spinnstuben Märchen sammelten. Und früher noch, als Echnaton die Götter aus Ägypten vertrieb und überall schlimme Vorzeichen auftauchten. Und später, als im Kyffhäuser einem König der Bart durch den Tisch wuchs oder als die Hexen am Brocken tanzten. Und warum sollte das heute anders sein? Wir sind im Grunde die gleichen Menschen. Egal, ob wir von Außerirdischen besucht wurden, wie Herr von Dänicken meint oder ob ich eine besondere Energie spüre am Beltane-Feuer. Oder ob ich am Ende genug zu tun habe mit meinen eigenen kleinen Dämonen. Und ist es nicht schon mystisch, wenn zwei völlig fremde Menschen sich begegnen und ineinander verlieben? Keiner kann erklären, was da mit uns passiert und warum. Und damit sind wir schon wieder bei den Osterbräuchen: Da, wo ich herkomme, in der Lausitz, gehen Frauen nämlich ganz früh am Morgen heimlich und schweigend an eine Quelle, um das Osterwasser zu holen. Schaffen sie es, dabei nicht gesehen zu werden, kein Wort zu sprechen und mit dem Wasser ihren Auserwählten zu benetzen, dann erobern sie damit seine Liebe. Dazu gibt’s noch ewige Schönheit. Es ist klar, warum ich da weg musste, oder? Ganz früh am Morgen? Schweigend? Da gefallen mir die Osterbräuche mit der Schokolade und den Hasen schon besser. Und das Schönste ist das Osterfeuer: religiös oder nicht – mit lieben Leuten in die Flammen zu starren ist einfach nicht zu toppen. Dann kann sogar ich auf Worte verzichten.
(Grit Hasselmann)