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Kommentar

Kommentar vom 03.04.2006

Bauklötze - das CIB in der Weimarer Coudraystraße - Der Bestseller "Per Anhalter durch die Galaxis" beginnt damit, dass der Erdenheld Arthur Dent durch den fortschreitenden Abriss seines Hauses geweckt wird. Er hätte sich halt bei einer verwinkelten Behörde über die Baupläne informieren sollen - damit wird sein verständlicher Protest lapidar abgeschmettert.
Diese absurde Szenerie erinnert mich ein wenig an das aktuelle Prozedere beim Bau des "Zentrums für intelligentes Bauen" (CIB) auf dem jetzigen Parkplatz der Coudraystraße. Ein Neubau also, der von der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen, kurz STIFT, ab Oktober dieses Jahres errichtet wird. Jede Wette, dass nur ein Bruchteil der Weimarer Bevölkerung von der nun beschlossenen Umsetzung weiß, denn sonst würden die Einheimischen wahrscheinlich schon eher auf die Barrikaden gehen. Zwar beteuert Bürgermeister Stefan Wolf, es hätte doch genügend Informationsmöglichkeiten gegeben, und sein Kollege von der Materialforschungs- und Prüfanstalt Professor Joachim Bergmann legt sicherheitshalber nach, dass man ja in dieser Hinsicht keine Bringepflicht habe.
Die Realität besagt Anderes: Noch im Dezember 2005 war es für interessierte Bürger nicht möglich, von der hiesigen Stadtverwaltung einigermaßen konkrete Auskünfte zu bekommen.

Wie sieht dieser Wettbewerbssieger denn nun aus?
"Das ist kein Klotz", beteuert Bauhaus-Rektor Professor Gerd Zimmermann, und von seiner Warte mag er Recht haben. Vielleicht ist es eher ein funktionaler großer Schuhkarton mit viel Glas, stützendem Beton, ein wenig Holz und Alibigrün. Ein richtig innovativer Wettbewerbssieger ist es nicht, eher ein gemeinsamer Nenner.
Die Begründungen für diesen besiegelten Entwurf des Münchner Architekturbüros Henn, sind so absurd wie schleierhaft. Einerseits wären da stadtgeschichtliche Gründe maßgebend gewesen: die Coudraystraße hätten damals auch Scheunen gesäumt, und an solche sollte das CIB erinnern. Na ja, ein Feldversuch für solche Assoziationen würde wohl andere Ergebnisse bringen. Und wenn man schon historische Verbindungen zur Verteidigung dieses Neubaus herstellen will, dann sollte man etwas mehr Ehrfurcht vor dem Straßennamensgeber haben, denn Clemens Wenzeslaus Coudray (1775-1845) war nun mal ein bedeutender Architekt, der das Stadtbild Weimars nachhaltig prägte.
Die andere Entwurfsbegründung liegt bei dem nun fertig gestellten Gegenüber: der Materialforschungs- und Prüfanstalt. Dazu vielleicht der Kommentar eines nicht genannt sein wollenden Denkmalschützers: "Eine architektonische Sünde zieht die nächste nach sich".
In der Tat hat Weimars Innenstadt in jüngster Zeit einige dieser Betonklötzer zu verkraften gehabt: das neue Studienzentrum der "Anna-Amalia"-Bibliothek (mit wesentlich angenehmeren Innen - als Außeneindruck), den Bibliotheksneubau in der Steubenstraße und schon genannter Neubau der Materialforschungs- und Prüfanstalt in der Coudraystraße.
Die Juroren, welche für solcherart Architekturen verantwortlich zeichnen, hebeln damit denkmalschützerische Erwägungen glatt aus. Mit dem Anspruch auf Modernität werden hier monumentale Tatsachen geschaffen, die meines Erachtens weder besonders kreativ und ästhetisch sind oder etwa einem Bauhaus-Gedanken entsprechen, sondern eher das Stadtbild nachhaltig beschädigen.
Dass solche elitären Durchsetzungen überhaupt möglich sind, liegt auch in einem sonderbaren Weimarer Konstrukt begründet. Die Denkmalpflege ist hier nämlich der Stadtplanung unterstellt, und damit werden Kontrollbegehren zumindest fraglich. Ob die verantwortlichen Touristiker überhaupt ein Mitspracherecht hatten, und es wahrnahmen, bleibt auch ein Rätsel. Denn die herbeigesehnten und wirtschaftlich erforderlichen Besucher kommen doch wohl sicherlich wegen der historischen Substanz. Denn diese macht, man mag es mögen oder nicht, einen hauptsächlichen Reiz Weimars aus.
Wohlgemerkt: Nichts gegen einfallsreiche neue Architektur. Aber Gesichtslosigkeit unter dem Deckmantel der Moderne sollte geahndet werden. Und die stattlichen 7,2 Millionen für das CIB von öffentlicher Hand, scheinen im Hinblick auf den desolaten Zustand von örtlichen Schulen und Kindergärten zumindest moralisch fragwürdig.
Arthur Dents eingangs erwähntes Problem löst sich dahingehend, dass wenig später die Erde von Außerirdischen pulverisiert wird.
Das ist hier wohl nicht zu befürchten, aber man sollte sicherheitshalber protestieren. Vielleicht könnten die Außerirdischen einfallslose Architektur nicht leiden...

(Matthias Huth)

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