Tonspur
Tonspur vom 15.04.2013
Local Natives - Hummingbird - Vor ein paar Jahren gab es so eine Art musikalischen Trend, der sich da „Afrobeat“ nannte. Unter diesem zweifelsohne schwammigen Begriff glaubte man fassen zu können, wie ein paar Indie-Bands zu dieser Zeit in harmlos daherkommende Songs komplexe Rhythmik einbauten und sie damit unter vielen anderen Songs herausstechen ließen. Unter diesen Bands wie zum Beispiel den gnadenlos poppigen Vampire Weekend und den Foals ging eine völlig zu Unrecht ein wenig unter: die Local Natives. 2009 veröffentlichten die ihr erstes Album „Gorilla Manor“ und es war: ziemlich grandios.
Schwer zu beschreiben, was da genau vor sich ging, da die Eindrücke sich überschlugen und auch gegenseitig widersprachen: Da war etwas Sonniges in allen Songs, dann aber auch etwas Unbezähmbares. Eine gewisse Melancholie und gleichzeitig etwas Unbeschwertes. Dazu tolle Songs, nicht nur durch den angeblichen Afrobeat speziell und untermalt von den tatsächlich drei singenden Herren und Gründungsmitgliedern der Local Natives: Taylor Rice, Kelcey Ayer und Ryan Hahn, plus Mitstreiter. Eine Festivalsaison hielt der kleine Erfolg der Band, es gab Vergleiche mit – natürlich – Vampire Weekend und den Fleet Foxes, dann gerieten sie irgendwie ein wenig in Vergessenheit. Selbst ich hatte nicht mehr ganz mit ihnen gerechnet, als dann vor einigen Wochen plötzlich ihr Zweitwerk „Hummingbird“ herauskam. Hummingbird heißt übrigens Kolibri, aber mehr zum Titel fällt mir jetzt auch nicht ein.
Aber noch mal kurz zur Band: Die bereits angesprochenen Herren machten schon während ihrer Schulzeit zusammen Musik. Und zwar in Silver Lake bei Los Angeles, der Strand war nie weit, und vielleicht hört man das ja auch. Komplettiert wurde das Trio dann 2005, man wurde zu einem Quintett. 2008 zogen die Bandmitglieder zusammen ein Haus, um dort das Debütalbum anzugehen. Und jetzt: „Hummingbird“, produziert übrigens vom The National-Mitglied Aaron Dessner, von denen ja auch ein neues Album erwartet wird.
Im Vorfeld von „Hummingbird“ ist auf jeden Fall allerhand Unerfreuliches geschehen: Ausstieg eines Bandmitglieds und vor allem der Tod von Keyboarder Kelcey Ayers Mutter. Der wird auch musikalisch und textlich verarbeitet, vor allem im Stück „Colombia“. Der Rest des Albums ist dann natürlich kein fetziger Surfpop, aber das war das Debüt entgegen mancher Meinungen ja auch nicht. Aufgenommen wurde diesmal auch nicht in Kalifornien, sondern in Montréal und New York. Natürlich kann man einen melancholischeren Grundtenor feststellen, sowohl musikalisch als auch textlich. Es geht um die Erkenntnis, dass eben nichts so fest und sicher ist wie man manchmal denken mag – im nächsten Moment schon kann alles anders sein. Aber dass selbst dann nicht alles verloren ist, dafür tritt diese Platte ein. Mit Melodien, ein bisschen Sonne und ganz viel Herz. Und natürlich einem Kolibri.
Für jene, die am Debüt vor allem den, ähem, Afrobeat mochten, der ist auch wieder dabei. Aber eben auch mehr Klavier, weniger ganz wilde Momente und mehr Breite und Fläche. Und Ohrwürmer, davon auch welche, ein bisschen versteckt vielleicht, aber gar nicht mal so wenige. Einen ziemlich schrecklichen Song gibt es übrigens auch: Bei „Three Months“ höre ich im Refrain leider nur ziemlich viel Gejaule. Aber das sei der Band nach so vielen Schicksalsschlägen auch mal gegönnt.
Denn der Rest von „Hummingbird“ ist, und das ist ein ziemliches Kunststück, berührend und melancholisch, ohne zu deprimieren. Und wer danach sucht, wird auch eine wundervolle Messerspitze Euphorie finden, wenn auch eher in der Musik als im Text. Eine kleine Hilfestellung dafür kommt sofort: Die Singleauskopplung „Breakers“ vom aktuellen Album der Local Natives
(Laura Eigbrecht)