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Kommentar

Kommentar vom 11.06.2013

Hochwasser? Selber schuld! - Für meinen Onkel war das damals zum „Jahrhundert-Hochwasser“ keine Frage: von früh bis spät hat er geholfen, geschippt, gepumpt und getröstet und dann aufgeräumt, als alles vorbei war.

Trotzdem hat er seinen Hochwasser-geschädigten Kumpel beim Dankeschön-Bier zusammengestaucht: „Was bauste auch in der Aue? Wo soll der Fluss denn hin wenn er mehr Wasser führt? Die ganze Arbeit und die ganzen Schäden hätten wir uns sparen können.“ Und er hat recht. Auch diesmal wieder.

Denn Dauerregen und Schneeschmelze sind nur Auslöser der Katastrophe. Die Ursache liegt anderswo.

Es hat vor etwa 150 Jahren angefangen. Die Menschen breiteten sich rapide aus. Die Folgen: Versiegelung von Flächen, zunehmende Bebauung der Flussauen und Begradigung sowie Vertiefung der Flüsse.
Auf einem Parkplatz von Fußballfeld-Größe kann halt kein Wasser versickern. Es muss oberirdisch ablaufen.

Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung sind 13 Prozent der Flächen Deutschlands Siedlungs- und Verkehrsflächen. Etwa die Hälfte davon ist versiegelt. 515 Quadratmeter Natur und Landschaft verbrauchen wir jede Minute in Deutschland für den Bau von weiteren Häusern, Straßen und Gewerbegebieten.

Dort, wo das Regenwasser nicht versickern kann, läuft es in Rinnsalen bergab, direkt in das nächste Gewässer und den nächsten Bach. So gelangt nach starkem Regen viel mehr Wasser in die größeren Flüsse als es in natürlichen Landschaften der Fall wäre – und die Hochwassergefahr steigt. Die Wassermenge der Flüsse ist wetterabhängiger geworden.

Und um sich vor dem Hochwasser zu schützen, das dadurch öfter kommt, bauen die Menschen Mauern und höhere Deiche. Versiegeln noch mehr und nehmen den Flüssen ihr normales Bett und die wichtigen Überflutungsflächen. Viele Flüsse haben gar keine Auen mehr. Nur noch ein Drittel dieser ursprünglichen Überflutungsflächen steht unseren heimischen Flüssen noch zur Verfügung. Das schätzt der NABU.
Die zunehmende Bebauung der Auen im Laufe der vergangenen 150 Jahren hat die Hochwassergefahr verschärft. Die stark besiedelten Ufer schränken die Flüsse ein. Ihnen ist dadurch die Möglichkeit genommen worden, sich durch die Landschaft zu schlängeln und im Falle von zu viel Wasser breiter zu werden, indem sie ihre Auen überfluten. Vor allem in der Nähe von Siedlungen fehlen diese aber.
Dazu kommt, dass heute selbst kleine Gewässer begradigt werden, um in den Uferbereichen Baugebiete auszuweisen. Aber - und das weiß wirklich jedes Kind – gerade Flüsse fließen schneller. Zudem fehlen die natürlichen, bewachsenen Ufer, die den Strom bremsen und das Wasser langsamer weiterleiten würden. Das Hochwasser nimmt an Geschwindigkeit zu.

Dadurch, dass viele Flüsse wie etwa Rhein und Donau zusätzlich ausgebaggert werden, um die Schifffahrt zu gewährleisten, wird dem Wasser quasi eine Rennstrecke bereitet.
Es wird durch den Klimawandel in Zukunft öfter Hochwasser geben. Daran kann keiner was ändern. Aber wir bestimmen selber, wie wir damit umgehen. Statt höhere Deiche zu bauen, sollten wir möglichst viele Bäche und Flüsse renaturieren. Denn nur unverbaute Fließgewässer sind Hochwasserdämpfer.

Erinnern Sie sich an die Flut von 2002? Damals hatte eine Kommission empfohlen, der Elbe mindestens 12.000 Hektar Land freizumachen. Damit sie es nicht so eng habe in ihrem Bett und endlich Raum, schadlos über die Ufer zu treten.

Aber was geschah? Keine 20 Prozent dieser Fläche wurden realisiert. Wäre ja noch schöner, wenn dieser Fluss dem Menschen Vorschriften macht! An vielen Orten wurden die Deiche erhöht. Das war irre: Dadurch mussten die Wassermassen noch höher steigen, und die Flutwelle rast noch schneller stromabwärts.
Die Regierungskoalition in Berlin hat sich bereits im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, natürliche Auen zu reaktivieren und Flusstäler zu renaturieren.
Wahrscheinlich hatten sie zuviel anderes zu tun. Derzeit läuft aber eine Reform der Bundeswasserstraßenverwaltung. Das wäre für die Bundesregierung eine einmalige Gelegenheit, beispielhafte Strukturen für die Renaturierung unserer Flüsse zu schaffen.
Aber wahrscheinlich fehlt auch dafür im Wahlkampf die Zeit. Da ist es doch viel wirksamer, Hochwasser-Opfern die Hand zu schütteln und die Helfer vor Ort zu belobigen. Und das geht außerdem auch schneller.

(Grit Hasselmann)

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