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Kommentar

Kommentar vom 09.07.2013

Rollenbilder und Kita-Plätze - Der Wahlkampf hat begonnen. So langsam merkt man das überall. Jetzt kommen wieder die „großen“ Themen auf die Tische in Redaktionen und Diskussionsrunden. Eins davon: Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was haben wir darüber nicht schon alles gehört. Und das seit Jahren. Jede Regierung wollte sich intensiv darum kümmern, all die gut ausgebildeten Frauen wieder ins Berufsleben zu bringen. Von Quoten für die Aufsichtsräte war die Rede, aber auch von Herdprämien. Doch seien wir mal ehrlich: das ist doch alles nicht realistisch. Nehmen wir ein Beispiel: Ich habe studiert, bin nicht allein erziehend (obwohl ich das auch viele Jahre war. Mein Freund arbeitet auch, das große Kind ist fast 17, das kleine fünf einhalb. Ich habe einen Kita-Platz. Also – alles schön? Im Gegenteil. Voll arbeiten kann ich gar nicht, weil der Kindergarten um fünf schließt. Und im Medienbereich, wie auch in den Chefetagen endet ein voller Arbeitstag gerne mal nach acht. Mein Freund kommt aber auch erst nach sieben aus dem Büro. Was nützt mir da eine Quote? Ich könnte gar keinen Chefsessel annehmen.
Dazu kommen Ferien und Schließzeiten. Wer hat mit einem vollen Job so viel Urlaub? Und erst recht wird es schwierig, wenn das Kind krank ist. Abgesehen davon, dass die meisten dann nach Mama rufen, haben es die Mütter auch oft besser im Griff. Sie wissen schon: Multi-Tasking.
Keine Sorge, ich komme jetzt nicht mit der Veranlagung oder so. Es ist nur einfach ein Fakt, dass bis heute Mädchen und Jungs verschieden erzogen werden.
Jeder vierte Mann und jede siebte Frau in Deutschland wollen gar keinen Nachwuchs mehr. Woran mag das liegen? Vielleicht wollen Frauen nach 6 Jahren Studium erstmal Geld verdienen, reisen, sich verwirklichen. Dann sind sie plötzlich schon 30. Wenn sie dann gerade eine Firma aufgebaut oder einen tollen Job ergattert haben, wollen sie ja nicht gleich wieder aufhören.
Darüber hinaus haben sie vielleicht gerade gebaut oder eine schöne Wohnung bezogen, die man sich mit zwei Akademiker-Gehältern gut leisten kann. Und jetzt soll eins wegfallen? Das heißt, Kredite können nicht mehr bedient werden und obwohl eine Person mehr da ist, muss man eigentlich in eine billigere Wohnung ziehen. Wenn man eine findet.
Viele Unternehmen stellen keine jungen Akademikerinnen mehr ein, weil sie meistens gleich nach dem Einarbeiten in die Baby-Pause gehen. Das kann aber für ein Architekturbüro beispielsweise existenzbedrohend werden. Alle fordern immer Flexibilität von den Firmen, aber keiner hilft ihnen dabei.
Und weder Landtagsfraktionen noch Kommunen lassen sich auf innovative Arbeitszeitmodelle ein. Beispielsweise eine Stelle für zwei Mütter. Wie soll man das dann von Mittelständlern erwarten?
Von der Dreifachbelastung durch Beruf, Haushalt und Kinder will ich gar nicht reden. Denn wenn Männer dann schon mal Erziehungszeit nehmen, konzentrieren sie sich gern auf das Kind. Der Hauhalt bleibt dann trotzdem für die berufstätige Mutter.
Und dann kommen so tolle Ratschläge wie: „Bilde Dich weiter“, „Glaub an deine Fähigkeiten“. Das ist aber auch nicht mein Problem. Ich bin gut ausgebildet. Ich weiß, was ich kann. Ich liebe meinen Job. Und auch meine Kinder. Trotzdem muss ich Termine nach 17 Uhr absagen. Ich kann meine Kleine ja schlecht mit zum Unternehmer-Stammtisch schleppen. Und wenn ichs tue, werde ich mitleidig belächelt und nie wieder ernst genommen.
Fassen wir zusammen: Konferenzen zu familienfeindlichen Zeiten, zu wenig Betreuungsplätze und finanzielle Nachteile: Mehr als fünf Millionen Frauen sind nicht berufstätig. Demnächst werden sie dringend gebraucht - bis dahin muss sich einiges ändern auf dem Arbeitsmarkt.
Dass Kindern, die mit berufstätigen Eltern aufwachsen, hohe Intelligenz, Selbständigkeit und ein ausgeprägtes Sozialverhalten bescheinigt wird, ist nicht neu. Meine Große findet es gut, dass ich arbeite, die Kleine eher nicht. Aber das wird noch. Und trotzdem: Letzte Woche erzählte mir eine 22jährige, dass sie stolz sei, zu den glücklichen Kindern zu gehören, deren Mutter immer zu Hause und für sie da gewesen sei.
Und jetzt die Frage: Wer glaubt wirklich, dass sich hier etwas geändert hat oder dass der nächste Wahlkampf etwas daran ändern kann?

(Grit Hasselmann)

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