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Theaterkritik

Theaterkritik vom 03.09.2013

Der Ring des Nibelungen - Sie kommen von hinten links und rechts durch den Saal nach vorn und kündigen an, eine Geschichte zu erzählen, die alles hat, was eine gute Geschichte heutzutage so braucht: Liebe und Verrat, Eifersucht und Intrige, Mord und Totschlag. Die das heiter und pointiert vortragen sind zwei Schauspieler, die uns für zweimal 50 Minuten durch den gesamten Vierteiler von Richard Wagners Mammut-Werk führen werden. Die Götter-Menschen-Familiensaga über die unglückselige Jagd nach dem Gold der Rheintöchter, über die Macht und die Ohnmacht, die von dem Ring des Nibelungen ausgeht, über den Fluch und das Verderben, welches über den jeweiligen Besitzer hereinbricht, 16 Stunden Musik, eingedampft auf zwei Stunden. "Rheingold", "Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung" - die Tetralogie für vier Abende an einem.

Ja geht denn das?
Was bleibt denn da vom dem gigantischen Opernwerk übrig?
Nicht viel, so muß man antworten - um es genau zu sagen, so gut wie gar nichts.
Und doch geht es.
Gut sogar.

Sicher, von der Musik bleiben fast nur Häppchen, Leitmotive sind erkennbar, diese und jene Arie wird auch angesungen, manchmal, wenn sich die Inszenierung leistet, die Musik einmal länger laufen zu lassen, ist die Kraft und der Sog der Wagnerschen Komposition zu erahnen. Was bleibt, ist die Erzählung. Und die wird knapp und witzig dargeboten - lehrreich für den Wagner-Anfänger, amüsant für den Wagner-Kenner. Das ist mal spannend, mal zum Schmunzeln, mal auch zum Lachen, immer aber kurzweilig und erträglich. Das Pathetische, das "Urdeutsche", das endlose Auswalzen Wagnerianischer Nebenhandlungen bleibt dem Publikum erspart. Heiter wird das Geflecht aus Göttern und Helden entwirrt, das Ränkespiel um den Zauber-Ring auf den Punkt gebracht, ein wenig Kapitalismuskritik und ein paar kleine Seitenhiebe auf die heutige Spaßgesellschaft eingeschlossen.

Die beiden schon erwähnten Schauspieler, Christiani Wetter und Tim Oberließen vom Landestheater Salzburg, sind dabei Erzähler und Sprecher für die Marionetten-Darsteller zugleich. Wesentliche Stücke der Oper werden nicht gesungen, wir hören allenfalls zu unterlegter Musik nur den gesprochenen Text, der ja, ebenfalls von Wagner, ohne Musik eine ganz eigene Poesie aber auch manche Albernheit entwickelt. Die kleinen Figuren illustrieren die Geschichte mehr als sie sie selber führen, ebenso bleibt die Musik mehr Illustration als denn eigenständige Kunstform. Alsbald steigen dann die Schauspieler, die großen, zu den Kleinen ins Bühnenbild. Natürlich, das liegt nahe, zunächst als die Riesen Fafner und Fasold, der, wenn er Göttertochter Freya, das "Püppchen", entführt, an King-Kong und seine weiße Lady erinnert. Später spielen Wetter und Oberließen, nicht ganz so schlüssig, als Hunding oder Gunter und Gutrune mit, bis sie selber an Fäden hängend von der Marionetten-Erzählung vereinnahmt werden. Das ist alles effektvoll arrangiert und hat in der Begegnung von Groß und Klein komische wie berührende Momente.

Die Marionetten-Figuren sind, wie es auch immer wieder gern an großen Opernhäusern geschieht, ins Heute geholt, hier natürlich nicht ohne Witz. So erinnert Held Siegfried mit seinem "HERO"-Sportdress an einen amerikanischen Rugby-Spieler, Feuergott Loge kommt im Glitzer-Sako daher: Entertainer und PR-Berater von Obergott Wotan. Der wiederum fährt als Konzernchef im offenen Ami-Schlitten über die Bühne. Siegmund entschwindet mit Sieglinde auf einer Harley Davidson, ihr Gaul Grane stakt abgehängt hinterher. Und die sieben Wotantöchter mit dem W vorne stolzieren im Walkürenritt als Beine schlenkernde Ballettriege herum. Auch bühnentechnisch gibt es manchen Zauber. Eindrucksvoll zum Beispiel der Feuerring oder der Drache, in den sich Riese Fafner verwandelt hat: Ein aufgeblasenes grünes Monster, das Siegfried erledigt, in dem er die Luft aussticht.

Regie geführt, wie auch die szenische Fassung erstellt, hat der Intendant des Salzburger Landestheaters Carl Philip von Maldeghen. Die passenden Schnipsel aus Wagners Ring ausgesucht, die musikalische Fassung besorgt, korrekt gesagt, hat Phillippe Brunnner von den Salzburger Marionetten. Deren Personal wurde nach Entwürfen von Christian Floere geschaffen. Bei der vom Band eingespielten Musik handelt es sich um Aufnahmen der Wiener Philharmoniker mit Georg Solti aus den Jahren 1958 bis 1964 und bedeutenden Opernsängern der Zeit.

Am Ende, da sind mit Pause gerade mal zwei Stunden und zwanzig Minuten vergangen, verneigen sich neben den beiden Schauspielern, sechs Puppenspieler vom Salzburger Marionettentheater. Die bisher Unsichtbaren "Strippenzieher" sind erschöpft und verschwitzt: es waren einige Kunst- und Bravourstückchen zu meistern. Alle zusammen haben den lang anhaltenden Applaus der rund 800 Weimarhallenbesucher verdient.

Wie gesagt, ein Opernabend war es nicht, ein durchaus sehens- und hörenswertes Theatervergnügen allemal.

(Foto oben: Maik Schuck)

(Wolfgang Kammerer)

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