Kommentar
Kommentar vom 21.12.2007
Post-Mindestlohn - »Mindestlohn kostet Arbeitsplätze« - wie ein Mantra wird von CDU/CSU und Arbeitnehmern mit nahender Aufhebung des Briefmonopols dieser Satz heruntergebetet. Ein kleiner Ausflug in den ganz normalen Osten (und sicher auch in strukturschwache Gebiete der alten Bundesländer) hätte die Mindestlohndebatte ein wenig versachlichen können. Dort verdient Mann oder Frau nämlich inzwischen immer häufiger zu wenig, als daß es für ein würdiges Leben trotz Vollbeschäftigung noch reicht. Erst werden sämtliche Ersparnisse – mühsam zusammengeklaubt zur Vorsorge fürs Alter oder die Ausbildung der Kinder – abgeschmolzen und in besseren Zeiten erworbener Besitz muß veräußerst werden, bevor der Gang zur Arbeitsagentur irgendwann unvermeidlich wird. Was übrig bleibt sind Menschen, denen selbst harte Arbeit im wahrsten Wortsinn ›nichts mehr bringt‹.
Michael Fuchs, vehementer Mindestlohngegner und Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wetterte gegenüber dem Spiegel über den angedrohten Stellenabbau bei PIN »Wenn die Politik ein Geschäftsmodell durch Zulassen einer solchen Einigung kaputt macht, dann ist das logische Konsequenz.« – Mit diesem Mann möchte ich keine Firma gründen. Glaubt er denn tatsächlich, daß allein der Wettbewerbsvorteil des geringeren Lohns ausreichend ist, um die Post als dominierenden Briefzusteller vom Platz zu fegen? Lohndumping als Wettbewerbsvorteil – das ist kein Gründungskonzept, sondern ökonomisches Gründeln.
War es nicht die CDU, welche immer wieder von einer Senkung der Lohnnebenkosten und der Reduzierung unnötiger Sozialkosten redete? Welche Kosten blieben dem Steuerzahler erspart, wenn zur Abwechslung einmal der Unternehmer dem Arbeitnehmer so viel Lohn zahlt, daß das Sozialamt nicht aufstocken muß!
Gern vergessen wird im aktuellen Aufschrei, daß PIN zum Einen einen Medienprofi als Eigner hat, der weiß wie man in Deutschland einen Eklat inszeniert und zum Anderen, daß der eventuelle Erfolg von TNT und PIN auf Kosten der Postbelegschaft gegangen wäre. Im Gegensatz zu den Billigheimern zahlt die ihren Leuten aber einen Lohn, für den sich das Arbeiten auch lohnt und bei dem der Staat nicht noch drauflegen muß. Mangels Aufträgen gekündigte Postangestellte würden den Sozialstaat zusätzlich zu den ›Aufstockern‹ der Billig-Konkurrenz belasten. Das bedeutet nichts anderes als daß jeder Billig-Brief vom Steuerzahler subventioniert worden wäre.
Der Post-Mindestlohn unterstützt daher – so sehr dies den Christ-Sozialen auch widerstreben mag – eigentlich deren ureigenste Prinzipien: die Senkung der Lohnnebenkosten und der Finanzierung von Leistungen durch diejenigen, die davon profitieren. – Wer einen Brief verschickt, sollte das Porto zahlen, welches genügt, um dessen Versand kostendeckend zu gewährleisten und nicht den Sozialstaat als rettende Hand für unterbezahlte Briefträger und arbeitslose Postler auf den Plan zu rufen. Genau dieses Beispiel ist – so sehr dies den Prinzipien von Frau Merkel auch widersprechen mag – auf andere Dienstleistungsbranchen übertragbar: auf Jobs im Einzelhandel, auf die Landwirtschaft, auf die Gastronomie, auf die Dienstleistungsbranche schlechthin. Deren Arbeit wird durch einen Mindestlohn nicht ersetzbar – denn das Fleisch kaufen wir auch weiterhin im nächsten Laden, der Acker muß auch nächstes Jahr bestellt werden, die Restaurantgäste wünschen auch weiterhin Bedienung und den Teppich lohnt es ebenso wenig nach Polen zum Reinigen zu senden wie das weiße Hemd fürs nächste Meeting. Auch wenn diese Leistungen durch die Einführung eines Mindestlohns absehbar teurer würden – es würde deren Erbringer wieder zu (zahlungsfähigen) Mitgliedern unserer Gesellschaft machen, statt sie würdelos und in Armut trotz Arbeit auszugrenzen. Steigende Dienstleistungspreise schöpfen das Geld genau da ab, wo mehr vorhanden ist – weiter oben – und verteilen es wieder nach unten. Nach dem Energiepreise und Nettolohnverlust in ärmeren Bevölkerungsschichten kaum zu schließende Lücken in die Geldbörsen gerissen haben, würde Mindestlohn übersetzt also nichts anderes bedeuten als Respekt vor der Arbeit anderer – sprich: Nächstenliebe statt Egoismus – und das ist schon wieder eine sehr christliche Botschaft.
Der Ausstieg von PIN und TNT aus dem deutschen Endkunden-Briefgeschäft kann den Steuerzahler nur freuen – zumindest in einer Branche ist diese Form der Globalisierung und des Lohndumpings an uns vorbei gegangen. Briefe werden auch weiterhin von Leuten zugestellt, die als Ergebnis ihrer Arbeit ein würdiges Leben ohne Hilfe durch den Staat führen können. Hinzu kommt, daß man nur von fair bezahlten Boten Zuverlässigkeit erwarten kann – von Rügen bis zur Zugspitze, von den Halligen bis zum Berliner Hinterhaus..
(Daniel Schmidt)