Kommentar
Kommentar vom 01.05.2008
Krauses Passion - In einer der ruhigen, eindringlichen Szenen des Meisterthrillers "Sieben" von David Fincher erzählt Detective Somerset alias Morgan Freeman von einem polizeilichen Ratschlag in amerikanischen Metropolen. Angegriffene sollten in Notsituationen immer "Feuer" schreien. Denn Hilferufe wären nicht dazu angetan, Anwohner aus ihrer Lethargie zu reißen. Momentan gibt es in Thüringen eine Menge unqualifizierter oder institutionell gehorsamer Brandmelder, obwohl in diesem Falle kein Löschbedarf vonnöten ist.
Es geht um die Ernennung Peter Krauses zum Thüringer Kultusminister durch Dieter Althaus. Diese Berufung erfolgt in einem Kontext, der die Opposition nach Neuwahlen schreien lässt. Meiner Meinung nach, ist die Beförderung Krauses (im Gegensatz zu der unsäglichen Bestallung der Volkskammer-Opportunistin Marion Walsmann zur Justizministerin) eine der raren vernünftigen Entscheidungen des Ministerpräsidenten, denn der Vorsitzende des Weimarer Kreisverbandes der CDU ist ein kluger Kopf. Und er ist ein Mann, der Göbels Nachfolge durchaus antreten kann, denn Krause bewies sich bisher in Sachen Kultur kompetent.
Doch Peter Krause ist ein streitbarer Intellektueller. Wenn man ihm etwas vorwerfen könnte, dann, dass er Fettnäpfchen nicht immer geschickt ausweicht. Aber was in den letzten Tagen über ihn hereinbrach, ist die größte Rufmordkampagne der Nachwendezeit in Thüringen.
Krause hat 1998 ein halbes Jahr redaktionell für die "Junge Freiheit" gearbeitet. Die Zeitung steht in Deutschlands heutiger Presselandschaft für ein Scharnier zwischen rechter Intellektualität und braunem Rand. Diese Zuordnung war in der Zeit, als Krause dort publizierte, nicht absehbar. Insofern war es folgerichtig, dass die Rechtsauslegerzeitung sich bald von ihm trennte. Denn soviel Freigeist war den braunen Lesern sicherlich suspekt. Zitate gefällig?
"Für Konzepte reicht, wie bei der DVU, ein A-5-Blatt... Die Rechte verbreitet den schlichten Mythos von der Macht des Politischen und Überschaubaren. Deshalb wird sie gewählt".
Oder Krauses Analyse zu politischen Tendenzen im Osten: "Die DVU ist eine der unappetitlichsten Gaben, die uns die politische Entwicklung der jüngsten Jahre beschert hat...Was bot sich am ehesten an, um das politische Tabu zu brechen, das wohlgeordnete Parteiensystem zu ärgern, als für eine extrem-unpolitische und am meisten verfemte "Partei", für das Blöde und ästhetisch Unzumutbare zu votieren?
Und auch dieses Interview wird der braunen Klientel nicht geschmeckt haben: Dort verlautet Ferdinand Fürst von Bismarck: "Auch das innenpolitische Konzept Hitlers und der Rassenwahn stehen nicht in der Tradition Bismarcks oder Preußens".
Wenn Krause in der "Jungen Freiheit" und anderen Zeitschriften, wie beispielsweise der "Etappe" für etwas plädierte, dann war es die Freiheit des Denkens, und das steht unstrittig diametral zu rechtsextremen Gedankengut. Sein generelles Journalistencredo gilt staatlicher Souveränität und korrekter Aufarbeitung des Unrechts kommunistischer Diktaturen. Das kann man einem Bürgerrechtler aus der DDR nicht verdenken. Schließlich waren wir mal das Volk, und wollten es auch bleiben. Krause war Erstunterzeichner des "Neuen Forums" in Jena, und das ist ein weiterer Beweis für seine demokratische Gesinnung.
Dass er nun als parteipolitisches Bauernopfer an den rechten Rand geschoben werden soll, ist absurd. Skandalös wird es aber dadurch, dass die Vermutung einer Nähe zum Rechtsradikalismus durch Krauses Wirken bei der "Jungen Freiheit" vor seinem geschriebenen Wort in dieser Postille steht. Und dass Vertreter der Politik- und Journalistenschickeria sich nicht einmal die Mühe machen, Krauses Texte, (wenn überhaupt?), dann vorurteilsfrei zu lesen. Sachliche Information wird durch Spekulation ersetzt, auch wenn letztere durch Krauses Lebenswirklichkeit widerlegt wird. Was nicht passt, wird eben passend gemacht.
So unterstellt SPD-Matschie Krause eine Relativierung des Holocaust, welche nirgendwo belegt ist. Die Grüne Roth blubbert natürlich auch etwas, aber das kennt man ja. Und die PDS ist eh dagegen. Nossen, der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Thüringens kennt eigentlich Krauses liberale Ansichten seit Längerem, hängt sein Mäntelchen aber feige in den Gegenwind. Und Knigge hockt auf seinem Buchenwaldberg und hat urplötzlich Bedenken. Wenn Krause wirklich ein verkappter Türöffner für die braunen Horden sein sollte, warum war er denn dann für den Gedenkstättenleiter Knigge als Stadtrat seines Ortes tolerabel?
Anders gefragt: Hat sich Krause jemals einem Engagement Weimars gegen Rechts entzogen? Oder reicht es mittlerweile schon, unangepasstes konservatives Denken zu zeigen, um als Nazi zu gelten? Und wenn Krause schon 1998 eine fundierte Parteienanalyse des rechten Spektrums liefert, ist das dann schon eine Sympathieerklärung? Ist der, welcher den Brand beschreibt, auch der Brandstifter? Und haben wir nicht seit Aristoteles den ehernen Rechtsgrundsatz "In dubio pro reo - Im Zweifelsfalle für den Angeklagten? Und letztlich: Steht vor der publizistischen Meinungsbildung nicht erstmal die gründliche und unabhängige Recherche?
So viele Fragen, da will ich auch mal spekulieren. Ich glaube, dass Dr. Peter Krause manchen Weimarer und Thüringer Pfründen gefährlich werden könnte. Da müssten beispielsweise Finanz-Forderungen aus der Hochkultur und Besetzungen in der Politikvetternwirtschaft wirklich begründet werden. Vielleicht erscheint Krause manchem Ratgeber ohne Mandat deshalb als nicht ministrabel.
In einem wunderbaren kultur- und medienkritischen Artikel Krauses im Literaturmagazin "Palmbaum" aus dem Jahr 2006 steht sein folgender Satz: "Das Vermögen, Stimmungen zu evozieren und die Presse zu beherrschen, entscheidet." Krause ist vielleicht ein Prophet und wäre sicher ein guter Kulturminister - ein Nazisympathisant oder Rechtsradikaler ist er nicht.
Aber er wird mit diesen von Politik und Medien herbei geschriebenen Stigmata leben müssen, und das ist ungerecht. Laute Feuerwarnungen vor dem braunen Spuk sind richtig. Falscher Alarm ist aber in diesem Bereich sehr gefährlich, weil er letztendlich zum Weghören führt. Darüber sollten sich die Kreuziger Krauses ernsthaft Gedanken machen.
"Sieben" endet mit einem inneren Monolog Sommersets. "Ernest Hemingway hat mal geschrieben: ,Die Welt ist so schön und wert, dass man um sie kämpft.' Dem zweiten Teil stimme ich zu."
(Matthias Huth)